zweiten Hälfte des achtzehnten. Das ist aber die eigentliche Blüthezeit
kunstreicher Möbelfabrication, diejenige, die vor Allem zur Reform des
modernen Geschmackes auf diesem Gebiete wichtig und lehrreich ist. Die-
jenigen Stylarten und Decorationsweisen, welche in diesen Zeitraum fallen,
sind auch alle vertreten, so dass wir in unserer Ausstellung gewisser-
massen eine Geschichte der Möbelindustrie in den letzten Jahrhunderten
vor Augen haben.
Nicht minder vollständig oder wenigstens mannigfach erscheinen die
Gegenstände der Ausstellung aus dem Gesichtspunkte ihrer Herkunft,
ihres Ursprungs. Fast alle Länder des civilisirten Europa haben ihren
Beitrag gestellt. Portugal und Spanien glänzen mit hochinteressanten und
originellen Arbeiten; von Frankreich und Italien finden sich treffliche ge-
schnitzte Möbel, aus einer Zeit, bevor der Geschmack dieser Länder dem
Barocken völlig unterlag; der Nieder-Rhein, Holland und Belgien, ehe-
mals eine ganz besonders blühende Stätte der Möbelindustrie, sind reich
und glücklich vertreten; selbst der scandinavische Norden, Dänemark und
Schleswig-Holstein fehlen nicht mit eigenthümlichen Arbeiten; der hei-
mischen Industrie, der ehemals so bedeutenden Möbelschnitzerei aus dem
österreichischen, salzburgischen und bairischen Gebirge ist_ kaum nöthig
zu gedenken.
Jeder Kunstfreund weiss, dass echte Möbel von feinerer Art aus der
gothischen Kunstepoche heute unendlich schwer zu bekommen sind.
Hier und da findet sich wohl noch ein solider Kasten von dickem Eichen-
holz mit plumpem Masswerk, der durch seine Construction noch einiges
Interesse bietet, aber wegen seiner Schwere und Ungefälligkeit das Auge
des Kunstliebhabers nicht reizen kann. Dennoch bietet die Ausstellung
eine ziemliche Reihe gothischer Möbel. Sie gehören freilich alle dem
fünfzehnten Jahrhundert an, genauer noch der zweiten Hälfte desselben,
lassen aber drei ganz verschiedene und charakteristische Arten erkennen,
verschieden nach ihrer Decorationsweise wie nach ihrer Herkunft.
In dem gothischen Möbel pflegte das constructive oder architekto-
nische Element vor dem plastischen vorzuherrschen. Die Trockenheit des
ersteren zu mindern, wurde dann gern mit Farbe ein malerischer Elfect
hinzugefügt. Die meisten gothischen Möbel sind daher flach in den Pro-
filen und ganz ohne vortretendes Gesims, an dessen Stelle sie festungs-
artig eine Zinnenkrönung tragen oder auch eine durchbrochene Masswerk-
galerie. Das Ornament hält sich daher auch nach Möglichkeit in der Fläche
und erhebt sich nur in gewisser und beschränkter Stufenfolge zum Relief.
Diese Stufenfolge lässt sich in den angedeuteten drei Arten ganz gut
erkennen.
Die erste Stufe beginnt mit einem ganz flachen Ornament, das
eigentlich gar kein Relief hat, gar nicht auf Licht und Schatten berechnet
ist. Es sind Ornamente, meist laubig in den bekannten Formen der
Gothik, die wie eine Contourzeichnung gar nicht aus der glatten Fläche