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die äussere Form, die Hülle, der Kasten immer das Resultat des Uhr-
werkes selber nach seiner Gestalt und das Ornament schliesst sich daran
in engster Weise an. Höchstens erinnern gewisse Standuhren mit Säulchen
an den vier Ecken, mit Galerien und Kuppelglocken in zierlich durchbro-
chenem Aufbau an Thurmbildungen, aber in so bescheidener Weise, so
massvoll und so dem Gegenstande angepasst, dass man die Art nicht
schelten kann. Vielmehr erfreut sie sich nicht mit Unrecht grosser Beliebt-
heit unter den Kunstfreunden.
Ganz anders ist es bei den modernen Uhren. Hier ist gemeiniglich
der Kasten die Hauptsache, das Uhrwerk und Zifferblatt selbst die Neben-
sache. Bei den französischen Uhren - und ihnen folgt noch alle Welt A
glauben wir mehr ein kleines Monument zu sehen, eine antike Figur grie-
chischer oder neuerdings ägyptischer Herkunft, die auf ihrem Postamente
ruht, oder Gruppen oder Vasen oder sonst mancherlei Dinge, die mit dem
Gegenstande möglichst wenig Beziehung haben, und die Uhr selbst ist so
nebensächlich, vielleicht gar in einer Ecke angebracht. Und das Alles muss
hübsch unter einer Glasglocke stehen, die man noch mehr hüten muss als
das Uhrendenkmal selber. Hier in Wien zeigen die Gehäuse der Wand-
uhren vielfach bereits eine Besserung, einen Uebergang zu rationellen
Formen. Wie wenig aber diese Richtung sonst in der Welt durchgedrungen
oder nur gekannt ist, lehrt der Unsinn, den heute - und gerade erst in
jüngster Zeit - die Schwarzwälder mit ihren geschnitzten Uhrgehäusen
treiben, ein Unsinn, der ex professo durch Schulen noch künstlich gross-
gezogen ist. Das ganze Gebirg mit seiner Natur, seinen Thieren, seinen
Bewohnen, seinen Sitten treibt sich anspruchsvoll um so ein arruseliges
Uhrwerk herum, dass man wirklich die alte, bescheideneArt mit schlecht ge-
malten Blumen auf emaillirtem oder porzellanenemZifferblatt noch vorzieht.
Doch zurück von dieser kleinen Abschweifung zu unserer Ausstel-
lung, davon wir noch besonders besprechen wollten, was sie in jüngster
Zeit an Ergänzungen erhalten hat. Das bedeutendste davon sind einige
Kästen aus dem Besitze der Herren Bourgeois in Heidelberg, darunter
selbst ein seltenes gothisches Stück (Nr. 176), niederrheinischen Ursprungs,
aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Es ist ein kleiner Wand-
kasten in zwei Abtheilungen, die Thürfüllungen mit Wappen und Helmen
und äusserst zierlicher, zu Laubwerk zerschnittener Helrndecke in Relief
überzogen, auch mit reichern Eisenwerk versehen, das, aus Bändern,
Schloss, Griff u. s. w. bestehend, einen Hauptschmuck bildet. Dieser Eisen-
beschlag ist platt und scharfkantig, ebenso wie auf den gethischen Möbeln
rheinischen Ursprungs aus dem Besitz des Fürsten Liechtenstein, nicht
getrieben und_gebuckelt und zu der zierlichen, plastischen Lebendigkeit
ausgearbeitet wie das Nürnberger, Augsburger oder sonst süddeutsche
Eisenwerk der gleichen Epoche. Es scheint darin ein charakteristischer
Unterschied für die norddeutsche und die süddeutsche Arbeit in diesem
Metall zu liegen.