166
Theil scheint es nur so, weil uns der Gebrauch dieser Dinge abhanden
gekommen und ihre Anwendung unverständlich ist.
In Wahrheit lernen wir die Bedeutung und den Werth dieser alten
Möbel erst recht verstehen, wenn wir sie nicht in der Vereinzelung, wie
auf der Ausstellung, sondern in der richtigen Zusammenstellung, im En-
semble des ganzen Zimmers mit dem entsprechenden Hintergrunde be-
trachten können. Davon vermochte unsere Ausstellung, wie es in ihrer
Natur liegt, allerdings nur Andeutungen zu geben.
Dennoch finden wir auch hiefür ein kleines Auskunftsmittel, das
unserer Phantasie zu Hilfe kommt, in der Ausstellung von Bilderwerken,
Holzschnitten und Kupferstichen, welche aus dem Kupferstichcabinet des
Museums den Originalmöbeln zur Ergänzung dient. Verschiedene Interieurs
reicherer und einfacherer Zimmer vom Anfang des 16. Jahrhunderts an
geben uns die Zusammenstellung und lehren uns den Gebrauch verschie-
dener Dinge. Auf den reizenden Stichen von Abraham de Bosse sehen
wir selbst die Dame bei der Toilette vor dem Spiegel sitzen, wir sehen
auf einem anderen Blatte eine feine Gesellschaft die reich besetzte Tafel
umgeben. Mit der Einrichtung des Bettes und des Schlafzimmers, dem
Waschapparat und ähnlichen Dingen aus verschiedenen Zeiten werden wir
vollkommen vertraut. Zudem geben uns zahlreiche Möbelzeichnungen, die
wir von den Kleinmeistern des deutschen Kupferstichs an bis auf die
steifen Zeiten des Empire und der gräcisirenden buntfarbigen Sessel Schin-
kel's, selbst bis zur modernen französischen Ebenisterei verfolgen können,
Varianten aller Art und Richtung, so dass wir an ihnen einen vollen
Cursus der modernen Möbelgeschichte bildlich durchmachen können.
Auch das Absonderliche, wie es unsere heutige Mode liebt, findet
seine Stätte dabei, so z. B. ein vortreffliches Seitenstück zu unserem heu-
tigen Rauch- und Reitsessel in einem ubidet avec necessaire-l oder vbide!
avec toilelteu, ein Sessel, der in seinen Rücklehnen einen Schrank mit allen
Utensilien der Toilette birgt und auf der Lehne selbst einen Tisch
trägt, damit die Kammerfrau oder der Friseur alles ,Nöthige bei der Toi-
lette sogleich zur Hand hat. Damit unsere Damen den Herren gegenüber
nicht zu kurz kommen und auch etwas Apartes haben, empfehlen wir
dieses Stück den Herren Tapezierern, die damit etwas "ganz Neues-w auf
den Markt werfen würden. Ohnehin lieben sie ja die Zusammenstellung
der heterogensten Dinge, z. B. des Stiefelknechts und des Kleiderhakens,
an einem und demselben Stück, wie weiland der berühmte Wiener Maler
Wehmliller - ich weiss nicht, ob das biographische Lexicon ihn kennt
- der auf ungarische Nationalgesichter reiste, einen Malstock mit sich
führte, der zu sechszehn verschiedenen Dingen diente, erstens zu sich
selber, d. h. zu einem Malstock, sodann zum Spazierstock, zum Sonnen-
und Regenschirm, zum Feldsessel und unter anderem auch zum Futteral,
um die Nationalporträts zu halten, die der Künstler in Wien fertig malte
und in Ungarn zur Auswahl feilbot.