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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1874 / 108)

Beilage zu llr. llli ißr „liillmiluigii des k. i. llßsicrr. Museums". 
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in welchen vorwiegend Klostcrschulen den weiblichen Arbeitsunterricht ertheilen. Es ist 
klar, dass wir heute noch keine idealen gebildeten Arbeitsschullehrerinnen fordern und 
erwarten konnen, namentlich in den Landschulen nicht, wo ihr Jahrgehslt in den besten 
Fallen zwischen 40-64; tl. schwankt; aber wir müssen wo möglich das Beste anstreben 
und vor Allem bei der Wahl der Lehrerinnen auf das scrupuloseste zu Werke gehen. Leh- 
rerinnen, wie die Commission einzelne bei den Vorbereitungen zur Exposition kennen lernte, 
die keinen Begriß von Form und Farbe, von Gesetzen das Geschmackes, der Ordnung 
und der Reinlichkeit aufweisen kannten, die werden ihren Platz nie ausfüllen und der 
Sache hart schaden, da sie alliahrlich fünfzig und mehr kleine Arbeiterinnen aus ihrer 
Schule entlassen, die alle die Fehler, die sie dort erworben haben, mit in's Leben, in 
die Familie hinausnehmcn. 
Ein weiterer Schaden des Unterrichtes ist die Lehrzeit, die ihm gewidmet ist. in 
Wien ist der Unterricht in den weiblichen Handarbeiten für z Stunden dreimal die Woche 
anberaumt; auf dem Lande und selbst in kleineren Stadien wird er in i, 2, 4 bis G 
Stunden wöchentlich u. z. in jeder einzeln ertheilt, so dass immer auf einen oder jeden 
zweiten Wochentag eine Lehrstunde entfällt. Es ist klar, dass mit solcher Zeiteintheilung, 
die noch vor kurzem an den Volksschulen Wiens bestand, nichts erzielt werden kann; 
bis die kleine Schülerin ihre Arbeit auspackt und ihre ungelnnken Finger in Positur setzt, 
ist ein guter Theil der Zeit schon verstrichen; die Stunde ist fast um, ehe die Lehrerin 
nur die Hllfte der 40-50 Schülerinnen übersehen kann. Es ist schade um Zeit und 
Mühe, die Kinder werden des wiederholten Anfangens, die Lehrerin der Resultntiosigkeit 
müde, die Arbeiten werden beschmutzt und unregelmassig zu Stande gebracht und vor 
Allem, die Zeit wird verloren. Zwei Stunden im Cqntinuum, wo möglich täglich, 
sind ein angemessenes Ausmass, um in der egebenen Lehrzeit die nothige Fertigkeit in 
den Handarbeiten zu erwerben, welche das rogramm der Volksschule begreift. 
Ebenso vernichtend wie die geringe oder unpassend geregelte Lehrzeit ist für den 
Unterricht die Ueberzahl der Schülerinnen. 50-55 Zöglinge weisen die Berichte ein- 
zelner Provinz- und Landschulen nach und eine Lehrerin. Wenn man sich die Sisyphus- 
arbeit solchen Unterrichtes vergegenwartigt, kann man wohl wenig von dessen Erfolg 
hoffen. Eine solche überfüllte Arbeitsstube ist keine Lehrstatte mehr, ihre Besucher sind 
mindestens um den besten Theil ihrer Zeit betrogen, und da es nichts Uebleres gibt, als 
kleine Mädchen mit der Arbeit in der Hand Niehtsthun lehren, wäre es besser, sie blieben 
von der Mehrzahl solcher Schulen, wo die Lehrerin nicht Uebermenschliches zu leisten 
vermag, ganz fort. 
Für die materielle Einrichtung unserer Volksschulen waren zwei Dinge höchst 
wünschenswenh. Für's erste die getrennten Schulbinke, wie sie Amerika, Portugal und 
namentlich ganz vorzüglich Schweden zur Weltausstellung gebracht hat. Die schwedischen 
Schulbanke haben den grossen Vortheil, dass sie für Kinder von 6, sowie für solche von 
14 Jahren gleich bequem und geeignet sind, dass sie alle Schulgegenstände beherbergen 
können und somit dem Schüler immer ein freies, reinliches Pult bieten, auf dem er nett 
und bequem mani uliren kann. Solche Bänke waren eine ganz unberechenbare Wohlthat 
für die kleinen Ar itsschülerinnen, welche, über ihre Arbeit gebückt, von den Nachba- 
rinnen gestört und molestirt, in den jetzigen engen Schulbänken stundenlang körperliche 
Qual durchmachen. Es ist von nicht geringem Belange, in welcher Stellung der junge 
Körper in seiner Entwicklungszeit täglich viele Stunden verbringt, und da solche günstige 
oder ungünstige Entwicklung ganzen Generationen nützt oder schadet, sehe ich es als 
meine Pflicht an, hier für die nben genannte Einrichtung zu plaidiren. 
Der zweite Gegenstand. der unserer Volksschule zu empfehlen wäre, ist das Wasch- 
hecken, wie es in den Schulen mehrerer Länder, namentlich aber Schwedens, in zwecks 
massiger Weise vertreten ist. in den Volksschulen Wiens wird dessen Stelle durch 
Handtücher ersetzt, welche wohl ohne Wasser! ein höchst ungcnügendes Reinigungs- 
mittel sind. Wie sehr dies der Fall ist, haben die Arbeiten vieler dieser Schulen be- 
wiesen. Da jedoch ohne Nettigkeit keine Arbeit gelingen kann, und die Hände der 
kleinen Mädchen, welche wahrand der vorhergehenden Schulstunden mit Tinte und Blei 
manipulirtan, nicht rein bleiben können, so ist ein wirkliches Reinigungsmittel unbedingt 
nothig. Mangel an Nettigkeit demoralisirt und die kleinen Schülerinnen sollten durch die 
Schule zu diesem ersten Erfordernis: des Anstandes hingeleitet, nicht aber durch sie 
dessen entwohnt werden. 
Dass das Waschen der Hände ohne übertriebenen Zeitverlust von statten gehen 
kann, beweisen die Schulen, an denen es seit Jahren in Uebung ist; und wie gut solche 
Einrichtungen den Arbeiten bekommen, bezeugen die cxponirten Gegenstande, welche 
eben diese Schulen gebracht haben. 
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