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dustrie und zwar in den reicheren, mittleren und einfachen Sorten mög-
lichst vollständig zur Anschauung gebracht werden. Bei Anlage und Ein-
richtung solcher instructiven Sammlungen, wie sie nur grössere Museen
und Pachschulen anzuschaffen in der Lage sind, entsteht naturgemäss die
Frage: welche Classificirung und systematische Eintheilung ist für die
wissenschaftliche Aufstellung einer solchen Collection von Spitzen, welche
das Gesammtbild einer vierhundertjährigen lndustrie veranschaulichen soll,
einzuhalten? Soll dieselbe chronologisch angelegt oder nach den Städten
und den einzelnen Districten der Anfertigung geordnet werden, oder aber
soll die Musterung und die Fabricatiousweise der verschiedenen Spitzen-
gattungen bei der Eintheilung und Anordnung massgebend sein? Aus
mehreren Gründen gaben wir einer Classif-icirung nach den Dessins und
den technischen Fabricationsarten unbedingt den Vorzug. Chronologisch
eine solche Sammlung zu ordnen, geht aus dem Grunde schon nicht an,
weil man in verschiedenen Perioden sehr häufig die Musterungen und die
Technik einer älteren Epoche wieder aufgegriffen und mit grosseru Ge-
schick wieder in Schwung gebracht hat. S0 wurden, um unter den vielen
nur eine Reproduction von älteren Spitzengattungen hervorzuheben, die
schönen venetianischen Spitzen aus der spätem Blüthezeit der Republik,
bekannt unter den: Namen points de rose, in Frankreich unter Louis XIV.
und in England unter Jacob ll. so täuschend in Technik und Muster
wieder nachgeahmt, dass man sie von den älteren Original-Spitzen Vene-
digs und Genua's gar nicht unterscheiden konnte. Auch die Sammlung
nach den verschiedenen Fabrications-Districten einzutheilen und zu be-
nennen dürfte deswegen nicht zulässig sein, weil die Spitzen-Klöpple-
rinnen häufig auswanderten und man in nördlichen Gegenden jene Spitzen-
muster in derselben Technik, je nach Bedarf der Mode, mit Erfolg nach-
ahmte, wie sie in südlichen oder westlichen Fabrications-Stätten bereits
lange Zeit hindurch geübt und angefertigt worden waren. Wir haben es
desshalb im folgenden Katalog, in Uebereinstimmung mit den Anschauungen
von Miss Bury Palisser, versucht, die Classilicirung unserer Sammlung
möglichst auf Grundlage der gleichartigen Technik und der formver-
wandten Musterungen so durchzuführen, dass dennoch, so viel es angeht,
die chronologische Aufeinanderfolge nicht ausser Auge gelassen wird.
Dass die consequente Durchführung dieser letztgedachten Eintheilung und
Rubricirung oft grosse Schwierigkeiten bereitet, davon ist derjenige am
besten überzeugt, der längere Zeit hindurch die verschiedenen genera
und species der Spitzen und Kanten genauer durchforscht hat und dem
es dabei klar geworden ist, dass auch bei den sorgfältigsten Vergleichungen
der vielen Spielarten von durchbrochenen Weisszeugarbeiten manche
Spitzensorten vorkommen, die sich nun einmal nicht nach ßxirten Nor-
men eintheilen und rubriciren lassen. Wir geben die HoEnung nicht
auf, dass bei Anlage und Aufstellung ähnlicher grösserer Sammlungen in
nächster Zeit und bei Fortsetzung der erst begonnenen Vorstudien über