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Eine Anzahl von Figuren an der Glyptothek (Vulcan u. A.), bei der
Ruhmeshalle, bei der Walhalla sind in diesem Materiale ausgeführt und
überall hat sich der Marmor aus Laas bewährt. Davon kann man sich
überzeugen, wenn man nur will - ebenso davon, dass auf dem Peters-
platze in Rom die kolossalen Figuren aus Marmor von Carrara, Petrus
und Paulus, gleich nach der Thronbesteigung Papst Pius IX. errichtet,
heutigen Tages schon voll von schwarzen mikroskopischen Pilzen sind.
Aber die Architekten des Königs Ludwig von Baiern zerstörten
vielfach die Brüche; es war nur ein Raubbau. Man suchte Marmor so
viel als möglich herauszubrechen und verwüstete vielfach das Material;
von einer geordneten Benutzung des Steinbruches war keine Rede. Nach
den Zeiten dieses Königs blieben die Laaser Werke fast ganz unbenutzt.
Hie und da benützte man den Marmor zu kleinen Grabdenkmälern. -
Herr Lenz und dann der Bildhauer Joh. Steinhäuser (letzterer angeregt
durch seinen Vater, den Prof. Steinhäuser, jetzt in Karlsruhe), studirten
förmlich den Tiroler Marmor und nützten die Brüche von Laas in geord-
neter Weise aus. Römer von Geburt, von Jugend auf vertraut mit der
Marmortechnik, vereinigt Herr Joh. Steinhäuser die Kenntniss eines Bild-
hauers mit der eines Steinmetzen; - in der Schule seines Vaters hat er
eine pünktliche und gewissenhafte Bildhauertechnik kennen gelernt.
Die Vorzüge des Marmors in Laas sind in erster Linie die schöne
Farbe, welche ihn dem Parischen Marmor sehr nahe stellt, seine Witte-
rungsbeständigkeit und dass er in grossen Stücken bricht. Er ist etwas
härter als der Marmor in Carrara, lässt sich aber sehr gut bearbeiten,
schleifen, drehen und mit dem Meissel behandeln. Diese Vorzüge lernte
Bildhauer L. Sussrnann-Hellborn kennen und er lenkte die Aufmerk-
samkeit des Curatoriums und der Direction des Oesterr. Museums auf
dieses schöne Materiale.
Als ich im August die Marmorwerke in Laas besuchte, fand ich
dieselben in bestem und in rationellem Betriebe. Gegenwärtig sind drei
Brüche im Gange; einer in der Nähe von Laas, ein zweiter ebenfalls bei
Laas (6ooo' hoch gelegen), eingerichtet für einfache Vorpunktirwerkstätte,
und ein dritter im Martellthale für eine ordinärere Marmorqualität.
Die Werkstätten in Laas sind eingerichtet für das Drehen, Schleifen,
Punktiren und für die iigurale und die Ornamentbildhauerei. Mit Aus-
nahme dreier Italiener sind nur Arbeiter aus Laas und Umgebung ida.
Die kleinen Tiroler Burschen, die hier im Winter im Zeichnen geübt
werden, sind sehr geschickt, auch mehrere ältere Leute; im Ganzen
mögen an 40 Leute beschäftigt sein. Der von dem k. k. Handelsministe-
rium organisirte Unterricht bezweckt die Heranbildung tüchtiger Marmor-
arbeiter, nicht für künstlerischen Dilettantismus. Schritt für Schritt hat
sich seit sieben Jahren diese Werkstätte entwickelt. In dem stillen Thale
sieht man eine einheimische Industrie aufblühen auf einer gesunden Basis
und in einem geordneten Betriebe.