gothischen Periode an Stelle der Klostermbnche bereits zahlreiche bürgerliche Künstler-
individualitaten namentlich auftauchen. Die Salzburger Kunstübung aus dem Beginne
des I5. Jahrhunderts bewahrt ihre Hcldseligkeit und innige Gefühlswärme gegenüber dem
herberen Nürnberger Naturalismus, aber dem gleichzeitigen Eindringen der van Eyck'schen
Schule vom Norden und der italienischen vom Süden vermochte sie nicht zu widerstehen
und um 1530 war sie in dieser doppelseitigen Umarmung erstickt. - Günstiger gestaltet
sich das Verhaltniss in Tirol, das von jeher zahlreiche, mehr oder minder bedeutende
Vertreter aller Kunstübung hervorgebracht hat. An Stelle der fehlenden Miniaturen, er-
klarlich durch den Abgang grosser Stiftsscbulen, sind zahllose Wande der Kirchen mit
Heiligen und die Säle der Ritterburgen mit Darstellungen aus der Minne- und Heldenzeit
geziert gewesen, die ganze Stylentwicklung vom Romanischen durch die Gothik bis zum
Zauber der italienischen Renaissance durchlaufend. Die glanzendsten Zeugnisse für die
kirchliche Richtung sind in dem herrlichen Kreuzgange zu Brixen, sozusagen einem
deutschen Campo Santo, für die weltliche in den Fresken auf Schloss Runkelstein
erhalten. Beide Denkmäler bilden die würdige Stufe für den grossten österreichischen
Künstler des Mittelalters, den Michael Pacher aus Brunecken im Pusterthal, den seine
bekannten Meisterschöpftingen den besten Schülern der van Eyck an die Seite, mit seiner
treiflichen Perspective oft sogar über sie stellen, Aber trotz dieser Hohe ging auch die
heimische Tiroler Kunst vor dem allzu gewaltigen Strome aus der Fremde bald zu Ende.
Herr Custos Dr. llg setzte am 19. November seine Betrachtung der osterreichi-
schen Malerei vor der Renaissance fort, zunächst mit der Besprechung der Kunstdenkmale
in Kärnten. Er wies vor Allem auf die Fresken in der Vorhalle und im Chore des
Gurker Domes hin, welche, dem Zeitraume vom zwölften bis zum vierzehnten Jahr-
hundert entstammend, durch Styl und gedankenreiche Wahl des Gegenstandes zu den
bedeutendsten Schöpfungen der Kunst überhaupt gehören. Der um m55 vorkommende
Heinricus pictor de Gurk mit seinem Schüler Dietrich und anderen zeugt für das Vor-
handensein einer förmlichen Malerschule, deren Blüthezeit wohl nicht das vierzehnte Jahr-
hundert überdauert, die aber, wie z. B. zu Piesweg und auf der Frisacher Veste, bis in
das Zeitalter der Renaissance hinein uns achtungswerthe Proben ihrer Tüchtigkeit hinter-
lassen hat.
Auch in Ober- und Niederösterreich zeigt sich eine sehr frühe Kunstübung,
wie in dem Lauthause zu Lambach mit directer Nachbildung der Katakombenmalerei, die
durch Miniaturbilder in die grosse Kunst hinübergeleitet und bis in's zwolfte Jahrhundert
festgehalten wird. In der That waren die grossen Stifte St. Peter, Heiligenkreuz,
Gottweih, Zwettl eben so viele Schulen für Miniaturmalerei.
Der Reichthum der Kloster und der Kunstsinn der österreichischen Fürsten erklärt
die grosse Zahl der Künstler und bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurden die
Satzungen der Malergilde in Wien festgestellt. Dabei war die Glasmalerei kaum geringer
als jene auf Wand und Tafel; sie begann mit den Grisaille-Arbeiten in Riemen- und
Bandverzierungen der Fenster in Heiligenkreuz, bis die heitere Freude an bunterem
Farbenspiel Werke schuf, wie wir sie noch jetzt in den erhaltenen Fenstern des Stephans-
Dornes bewundern. Dr. llg besprach dann, auf die Gemalde des Verduner_ Altars hin-
weisend, das Herübergreifen des giottesken Einßusses über die Alpen und dessen Ringen
mit dern darauf folgenden kolnischen und Eyck'schen Schulcharakter, der in den beiden
Sammlungen von Klosterneuburg und im Belvedere am besten illustrirt wird durch die
beiden Meister R. F. und durch Wolfgang Rueland, der nach Pacher als der bedeutendste
österreichische Künstler zu bezeichnen ist, Doch konnten unsere. Künstler die überkom-
mene fremde Weise nicht dem Sinne und geistigen Bedürfnisse ihrer Heimat assimiliren,
um so weniger, als seit Kaiser Maximilian die Vorliebe für die welsche Art; in den
höheren Geßellschlftsltreiscn immer mehr durchdrang.
Auch in den deutsch-ungarischen Gebieten der Zips, in Donnersmarlk, Georgen-
berg, Kaschau und Leutschau, nicht minder in der Eisenburger Gespanschaft an der stei-
rischen Grenze, ja selbst in den sächsischen Gegenden Siebenbürgens treten dieselben
hoffnungsvollen Kundgebungen reicher Begabung zu Tage, so lange die Greuel der Türken-
kriege nicht die erblühende Kunst im Keime erstickten. So ist doch nach alledem das
Endurtheil über die österreichische Kunst kein niederdrückendes. Wir können uns der
noch vorhandenen Denkmale als eben so vieler Zeugnisse tüchtigen künstlerischen Schaf-
fens, so treßlich als irgendwo in anderen Landen, erfreuen, und sie verehren als Ausdruck
der schlicht-treuherzigen, biederen Gesinnung unserer Väter.
H iequ eine Beilage.