kanten dies alles nur wbetiseu. Es konnte allerdings nichts erfunden
werden, was ihrer naturalistischen oder Rococo-Decorationsweise mehr
widersprechend gewesen wäre. Als die Ausstellung zu Ende ging, suchten
sich die Lyoner bereits diese Muster zu verschaffen und nach der Aus-
stellung gingen sie in sich und begannen sich eine Sammlung von Ori-
ginalstotfen des Mittelalters und der Renaissance anzulegen. Ab und zu
kamen denn auch einzelne ihrer Imitationen zu uns, meist trefflich im
Effect, aber stark rnodernisirt und französisirt. Bessere und zum Theil
ganz vorzügliche erschienen 187i auf der Londoner Ausstellung, doch
sahen sie immer noch mehr wie Versuche aus. Auf unserer Weltaus-
stellung traten Lyoner und Pariser Fabrikanten bereits mit zahlreichen
und gelungenen Beispielen auf, denen man ansah, dass sie bereits eine
bedeutungsvolle Erscheinung in der französischen Industrie geworden
waren.
Es waren zum Theil freie Imitationen, zum Theil sclavisch ängst-
liche Nachbildungen mit Wahrung aller archäologischen Kennzeichen und
Eigenthümlichkeiten, selbst der technischen Fehler. Und heute begnügen
sich die französischen Fabrikanten nicht mehr mit den Originalrnustern,
die sie bei sich im Lande, in Kirchen, Museen und Sammlungen finden;
sie senden ihre Agenten in alle Welt aus und lassen mit ängstlicher
Sorgfalt zeichnen, was es von dieser Art an alten Mustern gibt. So haben
sie sich auch im Oesterreichischen Museum eingestellt.
Hier sind offenbar die österreichischen Industriellen um eine gute
Weile den französischen vorangegangen. Das Schlimme ist nur, dass
das Publicum - und es gilt das noch mehr von dem deutschen als dem
unsrigen - dem Guten, das es mit Augen sieht, so selten Glauben ent-
gegenbringt und ihm erst Vertrauen schenkt, wenn es unter Pariser
Aegide erscheint. Und zum Zweiten sind die Franzosen so reich mit
guten künstlerischen Kräften versehen, dass sie, wenn sie einmal zur
Einsicht gekommen, mit ihnen den Vorsprung leicht einholen und selbst
überholen, wenn ihnen das Publicum zu Hilfe kommt.
Nicht das Gleiche kann man von den Spitzen sagen, deren Franz
Bollarth eine hübsche Collection böhmisch-erzgebirgischer Arbeit aus-
gestellt hat. Die Industrie selbst ist dort noch im Werden und Wachsen
und schwingt sich auf, fast unter den Fittigen Frankreichs. Man wird
diese Collection hübsch und preiswürdig finden, aber ausnahmslos ist
alles nach französischen Mustern und französischer Art. Es ist ohne
Frage schwer für diese junge Industrie, sich aus dieser Abhängigkeit los-
zureissen, da sie für den Anfang noch keine Opfer zu bringen hat; auch
fehlen ihr die Zeichner, die erfindenden Köpfe, um in andere Bahnen
einzulenken. Und doch ist es zweifellos, dass auch die moderne Spitze
einer Reform entgegengeht, einer Reform auf Grundlage alter, insbeson-
dere venetianischer und überhaupt italienischer Muster. Belgien und
Frankreich werden binnen Kurzem auch diesen Weg betreten. Schon