Besitzt es jetzt, um nur Eins zu nennen, circa 600 f-iguralische Car-
tons, welche die tüchtigsten Künstler für die Anstalt gezeichnet, deren
Leitung von der richtigen Ueberzeugung beseelt ist, dass Sparsamkeit oder
gar Knickerei an der Kunst und ihren Hilfsmitteln die thörichtste Ver-
schwendung, und dass die Oeknnomie überall eher als hier am Platze
ist. Techniker lassen sich bilden, ein Stock tüchtiger Arbeiter siedelt sich
an und wirkt wie ein gut geschultes, lange verbundenes Orchester zu-
sammen; aber Meister, die mustergiltige, nothwendig in der Ausführung
gelingende Skizzen und Cartons zeichnen, sind seltene Species, die man
als die durchgeistende, alles belebende Seele schätzt und verehrt.
Die stete und lebhafte Verbindung, der innige Wechselverkehr mit
Fachmännern und Künstlern ist auch das wirksamste Präservativ, dass
eine solche Anstalt, die so viel des Handwerksmässigen mitnehmen und
ausführen muss, nicht in fabriksmässige Arbeit verfällt.
Beenden wir die Revue mit Namhaftmachung einiger Glasmalereien
romanischen Styls: Zwei Doppelfenster der St. Antoniuskirche in Padua
mit den vier grossen Propheten; ebendorthin eine herrliche Rosette von
Essenwein componirü, eine Rosette nach Wengen mit einem als Altar-
bild geltenden Glasgemälde der Immaculata, Grisaillen nach Wechselburg
in Sachsen, nach Slavonien und wieder viele andere.
Mit grösster Freude als ein schätzbares Bildungsmittel ihrer Leute
übernahm die Tiroler Glasmalerei die Restaurirung der berühmten Samm-
lung Glasmalereien des Darmstädter Museums, ebenso die für das Stift
Heiligenkreuz, wohin auch verschiedene Dessinfenster nach alten Mustern
neu ausgeführt werden.
Wenn auch nicht in gleichem Grade sich ausbreitend nahm der
Absatz der Kathedralgläser doch auch in diesem Jahre erfreulich zu, indem
nunmehr die meisten Glasmaler Deutschlands daher beziehen und schöne,
Verbindungen angeknüpft sind, welche einen wachsenden Export dieser
Fabricate versprechen. Die allgemeinste Anwendung der Kathedralgläser
für monumentale Zwecke scheint zwar nur mehr eine Frage der Zeit zu
sein, es bleibt aber immerhin Aufgabe der Architekten, die Lösung dieser
Frage zu beschleunigen, und es ist Pflicht wie Ehrensache aller, die darin
Einfluss haben, den Fortgang des Betriebes dieser Glashütte durch wach-
sende Aufträge zu unterstützen; denn es wäre traurig, zur Gründung-
eines solchen Etablissements nur zu rathen und fast zu drängen, um sie
dann entwicklungslos nur als Vorwerk für die eine eigene Glasmalere
vegetiren zu lassen. Was lebensfähig, muss und soll wachsen.
Das ist die erfreuliche Skizze von dem Stande und dem Wirken
der Tiroler Glasmalerei, wie sie heute sich zeigt zur Ehre des Landes,
zur Ehre der Monarchie. Ihre Männer haben bewundernswerthe Opfer
gebracht, mit der Ungunst der Verhältnisse gekämpft und gearbeitet;
helfen wir ihnen ihre Kräfte weiter entfalten.