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Wir kommen nun zu jenem Theile des Institutes, welcher die Lehre zu be-
sorgen hat.
Die Lehre kann durch das lebendige Wort und durch die Anschauung vermittelt
werden; zum Anschauungsunterricht wird aber durch die Sammlungen Gelegenheit geboten.
Man hat früher haui-ig technische Museen so eingerichtet, dass man möglichst viele
mustergiltige Gegenstände aufstellte und meinte, die Gewerbetreibenden sollen nur die
Sachen ansehen. Das ist ein falsches Princip, denn von dem blassen Ansehen lernt man
sehr wenig, wenn die ausgestellten Objecte nicht als Kunstproducte, sondern als tech-
nische Froducte aufzufassen sind. Wenn ein solches Institut kein kunstgewerbliches ist,
so kann man sich von der Anschauung nur dann einen erheblichen Nutzen versprechen,
wenn dieselbe unterstützt wird durch eine zweckrnassige Art der Aufstellung und durch
den Unterricht. '
I-leute sagen wieder gewisse vorgeschrittene Fachmänner: w-Gar keine Sammlung
nützt; die Museen sind ganz zwecklosnt
Das ist das andere Extrem und ebenso falsch. Es gibt gewisse Formverhaltnisse
und Anordnungen von Werkzeugen und Maschinen, die höchst wichtige Fortschritte des
Betriebes darstellen, und Formverhaltnisse kann man nur durch Sehen und Messen he-
urtheilen. -
Ich brauche hier wohl nicht weiter auszuführen, dass die Aufstellung von Samm-
lungen eines Gewerbemuseums nur nach dem Principe der vergleichenden Techno-
logie und nicht nach dem Recept: i-für iedes Gewerbe einen Schranke vorgenommen
werden darf; für eine solche Beschränktheit können wir uns nicht erwärmen.
Sobald die neue Gewerbeordnung votirt sein wird, wird der letzte Schatten der Ab-
grenzung der Gewerbe nach den einstigen lnnuogsbegriifen geschwunden sein, wir werden
ihn nicht in den Schranken des Gewerbemuseums wieder aufleben lassen.
Eine Sammlung von vorzüglichen Werkzeugen, die nach den Arbeitsbegriffen,
denen sie dienen, zusammengeordnet sind. von Apparaten und Maschinen in natura, Modell
oder Bild in richtiger Auswahl und Zusammenstellung, bildet immer eine vortreffliche
Grundlage für technologische Erläuterungen, die ohne dieses Material unverständlich bleiben.
Neben dieser ständigen, stets zu erweiternden Sammlung, dem eigentlichen
Gewerbemuseum, müsste eine wechselnde, sich erneuernde Ausstellung von
neuen RohstoEen, neuen activen und passiven Hilfsmitteln technischer Verfahrungs-
weisen (Musterlager) und alljahrlich eine mehrere Wochen wahrende internationale
Special-Ausstellung veranstaltet werden. So konnte z. B. einmal eine Ausstellung
von Oefen, ein anderes Jahr eine solche von Stühlen, eine weitere von Fenster- und
Thürverschlüssen, von typographischen Maschinen oder dgl m. inscenirt werden. Dabei
müsste, wie bei vielen anderen Angelegenheiten , immer im Einvernehmen mit dem
Oesterr. Museum für Kunst und Industrie vorgegangen werden.
Neben einem so eingerichteten Museal-Institute im engsten Sinne des Wortes
müssen Specialcurse für Gewerbetreibende und Fachlehrer veranstaltet
werden, und zwar wird man hier nichts Besseres thun können, als nachzuahmen, was
das Conservatoire des arts et metiers in dieser Richtung gethan hat. Es ist unbegreif-
licherweise von dem Conservatoire schon ziemlich geringschätzend gesprochen worden; -
das Conservatoire des arts et metiers ist das einzige von allen Instituten, welches ich als
dasjenige bezeichnen wurde, das wir in vieler Beziehung nachahmen sollten, unter An-
deren in Bezug auf die Organisation des Unterrichtes, in Bezug auf die Einrichtung
der Specialcurse der mechanischen und chemischen Technologie.
Wenn wir von dem, was Manner wie Chevandier und Wertheitn, Poyen, Morin,
Tresca, Persnz, Trelat, Bondement, Pouillet, Rondelet, Poncelet, Alcan u. A. m. geleistet
haben, nur den fünften Theil in 30 Jahren an dem zukünftigen Gewerbemuseum erreichen
würden, so ware es genug.
Ich möchte hier noch erwähnen, dass eine Zeitschrift herausgegeben und eine
Bibliothek angelegt werden konnte.
Im Hinblick auf die erstere ist zu bemerken. dass die Zeitschrift ein Bulletin
für das Museum und das Organ, durch welches die technischen Arbeiten veröffentlicht
werden sollen, darstellen müsste, nicht aber eine Vermehrung jenes ohnehin schon über-
massig wuchernden technologischen Zeitungswesens, das von Reproductionen lebt.
Bei der Bibliothek liesse sich nach dem Vorbild von Riga, wo die Büchersamm-
lungen und die diesbezüglichen Budgets der Borsen-Deputation, des technischen Vereines
und des Polytechnicums unter Wahrung der bezüglichen Eigenthumsrechte vereinigt sind,
eine ähnliche Centralisation für das Gewerbemuseum und den Gewerbeverein durchführen.
Die für das Athenaum projectirte Sammlung von Patentacten ist im Gewerbemuseum
nicht an ihrem Platze, vielmehr ist eine zeitgemasse Reform des Patentamtes anzustreben.
So wie dieses Patentarchiv wird noch eine Reihe anderer Ideen, welche theils von an-
deren Gewerbemuseen schon fallen gelassen wurden, oder zu den naturgemassen Auf-
gaben anderer Institute (Furtbildungsschulen, Arbeiterbildungs- und Fachvereine) gehören,