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Wir denken uns drei Laboratorien oder Versuchsanstalten. In dem
einen sollen die mechanischen Eigenschaften der Rohstoffe untersucht werden,
in dem anderen die übrigen physikalischen Eigenschaften derselben und in
dem dritten die Befähigung der Werkzeuge und Maschinen zur Rohstoff-
umbildung.
In München befindet sich ein Staatsinstitut, angelehnt an das polytechnische In-
stitut, welches sich damit befasst, die mechanischen Eigenschaften von Rohstoffen, wie
z. B. von Baumaterialien, zu untersuchen und die Resultate zu pnbliciren.
Dieses Institut, durch Herrn Prof. Bauschinger eminent geleitet, ist dasjenige,
welches den Bessemerstahl von Ternitz in Niederösterreich zu untersuchen den Auftra
hatte; dieses Institut ist es, welches ersucht wurde, die Erzeugnisse der Mariazell-
Neuberger Gewerkschaft zu untersuchen; dieses Institut wird es sein, welches trotz der
energisch geforderten Errichtung einer österreichischen Versuchsanstalt für
Baumaterialien diese Institution, welche namentlich die Wiener Handelskammer und
der lngenieurverein dringend verlangen, noch eine zeitlang zu vertreten haben wird. Oder
sollte diese Versuchsanstalt abermals gesondert errichtet und das Gewerbemuseum daneben
abermals - - verschoben werden?!
Es scheint mir also, dass diese Versuchsanstalt der erste und wichtigste Bestand-
theil des sogenannten Gewerbemuseums sein muss, der erste auch der Zeit nach.
Ist es denn ein eines Großstaates, der die Cultur nach Osten tragen
soll, würdiger Zustand, dass man die mechanisch-technischen Eigen-
schaften unserer Bauholzer, unserer Bausteine und Cemente, unserer
I-lüttenerzeugnisse - im Auslande ermitteln lässt? Die betreffenden Lehr-
kanzeln unserer polytechnischen Institute, die ab und zu solche Aufgaben lösen, haben
anderweitig genug zu thun, sind auch nicht genügend dafür dotirt. Was man in einem
kleinen Lande gleich am polytechnischen Institute besorgen lässt, dafür kann und soll
ein 35 Millionen-Staat mit einem nach Hunderten von Millionen zahlenden Budget eine
eigene Reichsanstalt errichten.
Dass ein solches Laboratorium einem hochwichtigen praktischen Bedürfnisse ent-
spricht, beweisen die in London, Southwark-Street S. E., bestehenden Testing and ex-
perimenting worlts von David Kirkaldy. Was jedoch in England als Privatgeschaft
möglich ist, muss bei uns noch aus der Initiative des Staates entstehen.
Das zweite Laboratorium oder die Versuchsanstalt für die physikalischen Eigen-
schaften der Rohstoffe ist namentlich für die Kleingewerbe bestimmt. Die physikalischen
Eigenschaften der Rohstoffe sind es, mit welchen zunächst die Kleingewerbe arbeiten;
diese Eigenschaften aber sind noch weniger bekannt, als die mechanischen Eigenschaften
der Rohstotie, da von den Etablissements der Grossindustrie doch dann und wann eine
mechanisch-technische Prüfung, wie z. B. die Erprobung der Schienen durch Eisenbahn-
gesellscvhaften, vorgenommen wird. Aber dem kleinen Gewerbsmann können Sie das nicht
zumuthen und Sie werden ihn vor kostspieligen Experimenten, die sein Betriebscapital
verzehren, bewahren, wenn Sie ihm auf seine diesbezüglichen Fragen klar und deutlich
antworten; allerdings muss demselben zuerst "das Fragen gelehrt werden".
Das dritte Institut ist ein sehr billiges. Zu diesem Institut, in welchem die Lei-
stungsfähigkeit der Werkzeuge und Maschinen geprüft werden soll, gehört nur ein Mann
und ein Instrument- ein Mann, der zu arbeiten versteht und sich dieser Arbeit mit Lust
und Liebe widmet, und ein Dynamometer. Ein solches Institut besitzt gleichsam Dresden
in seinem I-Iartig.
Das wären die drei Bestandtheile des Institutes für die Forschung. Dazu kommen
noch die chemischen Versuchs-Laboratorien, welche schon bestehen.
Das Handelsministerium hat die glückliche Idee gehabt, eine Versuchsanstalt für
Glas, Email und Porcellan zu errichten. Es besteht ferner eine Versuchsanstalt für Ger-
berei. Von einem Institut für Färberei ist seit Langem die Rede und wird dasselbe wohl
errichtet werden, weil verschiedene Verhältnisse ihm günstig sind. Alle diese chemischen
Special-Laboratorien waren mit der Forschungsanstalt "Gewerbemuseumß zu vereinigen ').
Centralisation thut bei solchen Anstalten notb.
') In dieser Allgemeinheit ist die Forderung nicht als begründet anzuerkennen.
Gewisse derartige Versuchsanstalten können, da sie ausschliesslich dem Kunstgewerbe zu
dienen bestimmt sind, auch nur in Verbindung mit einem kunstgewerblichen Institute
ihre Aufgabe erfüllen. Erst die praktische Anwendung vermag den Nachweis zu fuhren,
ob und wie eine Entdeckung der Wissenschaft für die Kunstindustrie zu verwerthen sei.
Dass dies z. B. für die bereits bestehende Versuchsanstalt für Glas, Email und Porzellan
gilt, ist auch die Ansicht des Leiters derselben, Herrn Kosch, welcher von Anfang an
die Bedingung gestellt hat, dass sein Laboratorium in unmittelbaren Connex mit dem
Oesterr. Museum und der Kunstgesyerbeschule gebracht werden müsse. Red. d. Mitth.
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