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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe X (1875 / 123)

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gewerbeschulen; 5. eine Uebersicht der kunstgewerhlichen Fachschulen.) Nachdem er zu- 
erst auf den Unterschied zwischen den allgemeinen Gewerbeschulen und den speciellen 
Fachschulen hingewiesen, betonte er eindringlich die Nothwendigkeit gemeinsamer päda- 
gogischer Ziele allcr Anstalten vom staatlichen und wissenschaftlichen Standpunkte, dop- 
pelt wichtig bei der grossen Autonomie, welche den Comrnunal- und Landesvertretungen 
geboten ist. Fast nur im kunstgewerblichen Gebiete wurde durch Errichtung des Oesterrei- 
chischen Museums in Wien als Reichsanstalt eine Einheitlichkeit erzielt, die nach den 
gewonnenen Ergebnissen wohl auch Niemand gereuen wird. Vor Allem ist eine gute Volks- 
schule die sicherste Basis iedes gedeihlichen Unterrichtes in den gewerblichen Mittelschulen 
zur Heranbildung eines geschickten Arbeiterstandes. Hoffentlich wird aber das allgemeine 
Vorurtheil, dass Realschulen und Realgymnasien allen Bedürfnissen zur Ausbildung der 
Werkmeister und der Vertreter der Kleingewerbe genügen, allmälig schwinden und hat 
wenigstens die Regierung in klarer Einsicht dieser Verhältnisse in den letzten Jahren nicht 
weniger als 36 kunstgewerbliche Fachschulen ins Leben gerufen. Für diese Anstalten den 
rechten Ort zu wählen, noch mehr die nothwendigen Lehrkräfte aufzubringen, stßsst in 
der That auf unglaubliche Schwierigkeiten, denen entgegen nur durch zähe Ausdauer, 
pädagogischen Tact und Verleihung von Lebrerstipendien ein Gelingen in Aussicht steht. 
Den rein künstlerischen Anforderungen müssen die höheren Specialschulen Rechnung tra- 
gen und zwar mit einer Organisation: I. dass sie dem Fache, welches sie vertreten, wirk- 
lich nützen; z. dass sich der Lehrer mit Freiheit bewegen kann; 3. dass sie mit dem 
Centrum des Reiches in Verbindung stehen. Letzteres wohl zumeist wegen des NVelt- 
marktes, der nur mit den grossen Städten Fühlung hat; doch soll der Staat gegenüber 
dem engherzigen Standpunkte der meisten Fabrikanten und des leidigen Particularismus 
nie die finanzielle Seite zu sehr in den Vordergrund stellen, seine Schulen sollen nie der 
Privatindustrie Schaden bringen, sondern nur den Geschmack leiten, das Niveau der Kunst- 
anschauung zu heben, ohne sich in die Fragen des unmittelbaren Verkaufes oder Geschäf- 
tes einzumischen. Neben die Fachschulen rangiren sich mit dem veranderten Programm 
auf eminent praktische Ausbildung die Lehrwerkstatten und die subventionirten Ateliers 
einzelner Künstler. Die Spitze bilden die gewerblichen Museen, deren Gründung in Brunn, 
Lemberg, Reichenberg, Krakau Zeugniss gibt von dem gewerblichen Bildungstriebe in 
Oesterreich. Fallen endlich noch die Vorurtheile und erfreut sich unsere Industrie bald 
eines guten Musterschutz-Gesetzes, so können wir neidlos auf die gleichstrebenden Bemü- 
hungen anderer Lander blicken. Der Erfolg ist uns sicher, wenn wir uns denselben nicht 
durch sanguinische Selbsttftuschungen, wie es schon oft geschehen, verscherzen. 
Am 18. November hielt Herr Rcgierungsrath J. v. Falke einen Vortrag über die 
kirchliche Kunst, und zwar in dem allgemeinen Sinne als jene Kunst, welche Gegen- 
stande für den kirchlichen Gebrauch schafft. ln derselben hatte zu Anfang unseres Jahr- 
hundertes eine betrubende Geschmacklosigkeit mit unedlen Formen, schlechter Technik 
und roher Eülecthascherei in Farbenpracht und Metallglanz platzgegritfen, all' dieses als 
Resultat des vorangegangenen Barock- und Zopfstyles, der die crschrecklichsten Beispiele 
zu Tage gefördert hatte, vom kleinen Kirchengerath angefangen bis zu den riesigen Altar- 
gebauden mit hölzernen und gewundenen Säulen, steinernen Wolken, weissgewandeten 
Heiligen mit gezierten Gesichtern und verrenkten Gestalten u. s. w. bei einem solchen 
Zustande der kirchlichen Kunst musste eine Zeit der Einsicht und des Strebens nach Um- 
wandlung und Besserung eintreten. Unter dem Anstoss der Romantiker in den Rhein- 
Gegenden suchte man, über die zu weltlich scheinende Renaissance zurückgehend, die 
Muster für die Neubildung in der Periode des gothischen Styles, als jener Zeit des Mittel- 
alters, in welcher sich die Kirche nach damaliger unhistorischer Auffassung ihrer höchsten 
Machtstellung erfreute. So wurde aus einer Frage der Kunst bald eine religiöse, und wie 
gothischer, desto religiöser-l war das Princip der Stimmführer in der Reformbewegung. 
Zum Glück stiessen dieselben im eigenen Lager auf Widerspruch, denn viele griffen , im 
Vereine mit den meisten Künstlern, die sich nach mehr Freiheit sehnten, als ihnen die 
Gotlxik gewährte, nach dem romanischen phantasiereicheren Style zurück. Gegenüber den 
Kämpfern für einen ausschliessend kirchlichen Styl mit vollster Nachahmung der mittels 
alterlichen Kunstwerke sammt allen ihren unser Auge verletzenden Fehlern in Perspective 
und Körperbildung zeigte der Vortragende an der Geschichte des Altares und des Kelches 
den, abgesehen von etwas Conservativismus, stets parallelen Gang der kirchlichen Kunst 
mit der allgemeinen Kunstentwicklung und ihrem Style. Das Ergebniss der vorerwahnten 
wetteifernden Reformbestrebungen zweier Parteien war aber eine gründliche Erforschung 
der mittelalterlichen Denkmale in Baukunst, Bildnerei und Malerei, im Ganzen und Gros- 
sen von den heilsamsten Folgen, zumal für die Kunstindustrie. Denn langst vergessene 
Arten der Technik im Goldschmiedehandwerk, in Emailmalerei, Schnitzerei und Stickerei 
wurden wieder zum Leben gebracht und zu der Blnthe, die sich zu unserer Freude von 
der Kirche ausgehend bereits in den meisten Zweigen der gestimmten Kunstindustrie oiTen- .-
	        
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