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Eine eben so wichtige, dem Geiste der Institution entsprechende Er-
weiterung des Museums und zwar speciell der Kunstgewerbeschule, ist die
Gründung eines Ciselirateliers, das in directer Verbindung mit der Fach-
schule für Plastik der Kunstgewerbeschule treten wird. Die Angelegenheit
wurde durch die hervorragendsten Bronzefabrikanten Wien's in der "Ge-
sellschaft zur Förderung der Bronzeindustrie: angeregt und vom Cu-
ratorium und dem Aufsichtsrathe der Kunstgewerbeschule lebhaft befür-
wertet.
Die Anforderung, welche damit an die Kunstgewerbeschule heran-
trat, konnte für die Leitung dieser Anstalt nichts Ueberraschendes haben.
Von Anfang an war man sich bewusst, in welcher Richtung die Schule
sich weiter entwickeln könne und müsse. Hatte der Zustand des Zeichen-
unterrichtes im Allgemeinen zur Zeit der Gründung der Schule dieser
zunächst die Aufgabe gestellt, den künftigen Kunsthandwerkern Gelegen-
heit zur Aneignung jener manuellen Fertigkeiten zu geben, welche bei
ihrer Aufnahme eigentlich hätten vorausgesetzt werden müssen und wurde
dadurch der Schwerpunkt der Anstalt in den Vorbereitungscurs verlegt:
so kann die Schule jetzt, Dank der Errichtung allgemeiner Zeichenschulen
und Gewerbeschulen in allen Theilen des Reiches und der in der Durch-
führung begriffenen Reform des Zeichenunterrichtes, sich mit grösserer
Entschiedenheit ihrer eigentlichen Bestimmung zuwenden. Je mehr sie
sich allmählich von der Last befreit sehen wird, Elementarunterricht im
Zeichnen und Modelliren zu ertheilen, um so mehr kann sie jene mancherlei
Arten künstlerischer Technik heranziehen, welche an Gewerbeschulen nicht
geübt werden können, weil sie einen höheren Grad künstlerischer Aus-
bildung zur Voraussetzung haben.
Zu diesen Zweigen der Kunsttechnik gehört nun in erster Reihe das
Ciseliren, welches auch von fast allen Kunstgewerbeschulen (so z. B. in
München und Nürnberg) in den Lehrplan aufgenommen worden ist. Und
es bedurfte in der That nicht der Eingabe der Gesellschaft für Bronze-
industrie, um das Bedürfniss eines Unterrichtes im Ciseliren für Wien dar-
zuthun. Allen unseren Gussarbeiten, von den sogenannten Wiener Ar-
tikeln bis zu den Standbildern auf unseren Plätzen, mangelt die letzte
Feile, und die Ueberlegenheit in der Kunst des Ciselirens trägt nicht
wenig dazu bei, der französischen Bronzeindustrie ihr Uebergewicht über
die österreichische zu sichern.
Dieses Atelier wird Herrn Stefan Schwartz, einem ehemaligen
Schüler König's, übertragen, einem jungen, strebsamen Künstler, der
wiederholt durch Preise ausgezeichnet ist.