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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 117)

weniger Aufmerksamkeit geschenkt wurde als 
der Architektur des Palais Rasumofsky, die 
erst jetzt durch den vorangehenden Beitrag von 
G. I-Iajös (S. 15) eine Würdigung erfahren hat. 
Allgemein läßt sich feststellen, daß für die mei- 
sten K0mpOSitiDnen graphische Parallelen ge- 
funden werden konnten, die nicht nur als hel- 
fende Vergleichsbeispiele dienen, sondern in 
vielen Fällen als direkte Vorlagen anzusehen 
sind. Fürst Rasumofsky hatte eine umfangrei- 
che Bibliothek, die siduerlidi auch Montfaucons 
„Antiquitates" enthielt, ein Werk, dem offen- 
sid-ntlich eine ganze Reihe von Vorlagen ent- 
nommen wurde. Figuren und Figurengruppen, 
welche ursprünglich aus verschiedenen Samm- 
lungen stammten, wurden im Stich häufig zu- 
sammengestellt und im Relief als Einheit über- 
nommen. Besonders deutlidn geht dies aus den 
Abb. 22 und 23 hervor. 
Das Verhältnis des ausgeführten Reliefs zur 
Graphik ist gekennzeichnet auf der einen Seite 
durch Reduktion, die sid1 auf Hintergrund, 
Figurenbestand und Details bezieht, auf der 
anderen Seite durch Veränderungen, die sich in 
der Reihenfolge der Figuren, deren Bewegun- 
gen und im Austausch von Detailformen aus- 
wirken. In seltenen Fällen werden Figuren hin- 
zugefügt, während Zusätze in Form von Bo- 
denvasen und -gefäßen häufiger vorkommen. 
Wer auch immer für die Anlage und Ausfüh- 
rung der Reliefs verantwortlich gewesen sein 
mag, seine Leistung bestand nicht darin, Kom- 
positionen im klassizistischen, d. h. antikisdn 
inspirierten Sinn zu erfinden, sondern aus dem 
Kleinformat der Vorlage ins monumentale, 
großfigurige Relief zu übertragen. Die Frage, 
in welchem Ausmaß das Kunstgewerbe vorbild- 
lich gewesen ist und damit eine ähnlidie Rolle 
wie die Graphik gespielt hat, läßt sich schwer 
beantworten. Die häufigen Parallelen können 
ebensogut darauf zurückzuführen sein, daß 
beide, monumentales und kleinformatiges Re- 
lief, auf ähnlidie graphisdie Vorlagen zurüdt- 
gingen. Allerdings läßt sich die große Verbrei- 
tung gerade der Wedgwood-Reliefs nicht leug- 
nen, die der Graphik vielleicht nahekamen. Die 
Arbeiten der englischen Manufaktur hatten ja 
den Vorteil, daß sie den Figurenbestand bereits 
in Relief ausführten und damit dem monumen- 
talen Relief näherkommen. 
Eine Stiluntersuthung kann begreiflicherweise 
nicht den Umfang der vorangegangenen ikono- 
graphischen Abhandlung annehmen, da noch 
zuwenig stilistisch vergleichbare Werke bekannt 
und publiziert sind. Der folgende kurze Ab- 
sdinitt wird sidn daher darauf beschränken, 
einige typische Stilmerkmale der Festsaalreliefs 
herauszuarbeiten. 
Die sechzehn in die Wand vertieften Rechtedt- 
felder sind die Bühne für die Figuren, die in 
Flada- bis Hochrelief mit einzelnen vollplasti- 
sehen Details gearbeitet sind und darin eine 
Parallele zu antiken Werken, wie dem Mar- 
morfries der Vase Borghese", zeigen. Groß- 
figurige Kompositionen füllen infolge einer re- 
28 
SAAPJIIJUICJA L'll! VICIC 
Szenen gilt nun ein stereotypes Kompositions- 
sd1ema, das aus fünf Figuren besteht, die kon- 
zentrisch angeordnet sind, so daß die beiden 
äußeren Figuren, bildeinwärts geriditet, die 
Darstellung rahmen. Der Hintergrund ist bis 
auf wenige Ausnahmen (Abb. 14) eine glatte, 
neutrale Fläche. Auf der knappen Reliefbühne 
werden räumlidie Akzente vermieden; das da- 
durch entstehende Nebeneinander der Figuren 
führt zu bildparallelen Bewegungen, die oft - 
entsprediend der Komposition - ins Zentrum 
gerichtet sind. Was die Wiedergabe von Körper 
und Gewand betrifft, so kommen häufig 
Aktfiguren oder Halbakte vor, die nur einen 
Umhang oder ein umgelegtes Fell tragen. Die 
Gewandfiguren sind in weite, gegürtete oder 
mit Sdnulterspangen befestigte Draperien ge- 
hüllt oder tragen Umhänge, deren meist ruhige 
Faltenbahnen nur bei den Tanzenden (Abb. 24, 
26) in bewegten Schwüngen verlaufen, nur in 
einem einzigen Beispiel (Abb. 20) vielfältig 
gebrochen und geknickt. Die eher gedrungen 
proportionierten Körperformen sind unter der 
Draperie deutlid-i ablesbar. Die Köpfe ent- 
sprechen, bis auf Silens- und Kinderdarstel- 
lungen, einem geschönten, jugendlichen Typus 
mit kurzgelodtter Frisur. Auch der bärtige 
Silenskopf wiederholt sich immer wieder. 
Die Wiedergabe von Attributen und Geräten 
ist vereinheitlichend und detailarm: bauchige, 
oft plumpe, nur wenig gegliederte Gefäße rnit 
glatter Oberfläche, Altäre in einfadier 
Silhouette, Früdite und Laubwerk aus klein- 
teiligen Formen zusammengesetzt. Nur mandi- 
mal kompliziert sich der Duktus eines flattern- 
den Bandes. Viele dieser Kriterien wiederholen 
sich in der noch zu untersuchenden Dekoration 
des Zeremoniensaales der Wiener Hofburg, der 
ja auch hinsichtlich der Architektur immer im 
Zusammenhang mit dem Festsaal im Palais 
Rasumofsky genannt wird. 
v us rage mugewicsett. 
Zwei grundsätzliche Fragen, die sich noch auf- 
drängen, sind die der Datierung und der Zu- 
schreibung an einen bestimmten Künstler. Wir 
besitzen keinerlei Dokumente oder Unterlagen 
über die Ausstattung des Festsaales. Im Zuge 
des Baues ab 1806 ist auch der Festsaal de- 
koriert worden, so daß das ursprüngliche Kon- 
zept sicher aus dieser Zeit stammt. Hinsichtlich 
der Ausführung - oder Wiederausführung - 
dieses Konzeptes bestehen jedoch Unklarhei- 
ten, die mit dem Brand des Palais im Jahre 1814 
zusammenhängen. An der Zerstörung des Fest- 
saals und damit der angeblid-i in Marmor aus- 
geführten Reliefs" wurde und wird vielfach 
noch beharrlida festgehalten, obwohl wir (s. 
Beitrag G. Hajos, S. 15) keinerlei Beweise 
dafür haben. Die primären Quellen zu diesem 
Gesdiehen (etwa der Polizeibericht) erwähnen 
den Festsaal nicht, die sekundären bestehen aus 
literarischen Berichten und Informationen, die 
das dramatische Schauspiel poetisch beschreiben, 
aber wenig über die betroffenen Räumlichkei- 
ten aussagen. Die spätere Auslegung dieser 
...., m..." aus m. um... uuynnansyul uuv 
heute als nahezu gesichert hingestellt". 
Die Bedeutung .der Festsaaldekoration in 
men der Wiener Kunst ist mangels erh 
monumentaler Werke sdiwer festzustelle 
den Zeremoniensaal Montoyers in der H 
wurde bereits verwiesen. Parallelen in di 
ordnung vertiefter Felder, in denen 
Flach- bis Hod-irelief gearbeiteten Figurei 
ren, in der Reliefbehandlung, in der V4 
dung antikisierender Gewänder bestehen 
fellos. Aber noch fehlt die Auflösung der 
graphischen Fragen, die die Grundlage w 
Untersuchungen wäre. 
Dem Wiener Kunstgewerbe war das v: 
dete Figurenvokabular jedenfalls nicht 
Die beiden erwähnten Porzellanvasei 
bacchischen Reliefs tragen den Jahress 
807 (z 1807), dasselbe Jahr, in dem sicl 
Teil des Baues abgeschlossen war. Vo: 
ginn des 19. Jahrhunderts stammen auc 
belbesdiläge, die ähnlidme Figuren auf 
(Abb. 25), und zahlreiche Reliefs bleib 
ins 20. Jahrhundert in den „hartausgeschv 
ten massiven Galvanobeschlägen" Gastersi 
dem Wiener Kunstgewerbe verhaftet. 
Enge Parallelen zum englischen Kunstgi 
sind durch die Beziehung der Wiener Por: 
manufaktur zur Manufaktur Wedgwot 
geben. In Jasper-Ware ist der Borghese 
der Fries mit den tanzenden Horen un 
„Bacchanalian boys" bekannt. Wachsn 
Wiener Porzellanbossierer existieren sowo 
Borghese-Figuren als auch von Tanzende 
kürzlich aufgefundene Modelle lassen veri 
daß es sich bei dem sogenannten „Wedg 
Zimmer" der Albertina, Wien (s. Abb. 15 
Wiener Porzellan in der Art der Wedg 
schen Jasper-Ware handeln könnte. A1 
Parallelen zur westlichen Kunst zeige 
Grisaillemalereien des Palais Rasumofsky 
che in einem späteren Beitrag gesondert I 
delt werden sollen. 
ANMERKUNGEN 18-23 
" Monlfnucon, S. 259. 
1' 5. Anm. s. 
" Margarete Gitardi, Das Palais Rasumofsky, Wien is 
H Girzrdi, s. 39. 
ß Erwin Humanst, z... dekorativen Plastik des Palai 
mnfsky in Wien, in: Usterreidzisdie Zeitschrift für D 
pflege, IV. Jg. 1950, Heft 5-5, S. 95-100. - Ma 
Podt-Kalous, Wiener Plastik im 19. Jahrhundert, 
schichte der bildenden Kunst in Wien, Neue Reihe B: 
1: Plastik in Wien, 1970, S. 1x4. 
H J. Gastctslädl, Tafelhand J-Iartausgesdtwemmte miss 
vanobesdilägr", Wien, o. J.
	        
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