könnten andere Sitten haben. ln Folge dessen waren sie auch gezwungen,
um jede Ungeschicklichkeit, jeden Verstoss möglichst hintanzuhalten, das
Geräth selbst so zweckrnässig, so vollkommen wie möglich zu schaffen.
So verdanken wir ihnen heute nicht nur eine Menge eigenthümlichen,
höchst speciellen Speisegeräthes, an dessen Erfindung Andere niemals ge-
dacht hätten, sondern die Formen ihrer Essbestecke sind auch entschieden
die besten, die zweckmässigsten. Ob auch die schönsten, ist eine andere
Frage; indessen im Allgemeinen ist auch das richtig, insoferne die gute
Form aus der zweckmässigen hervorgehen muss. Das aber schliesst nicht
aus, dass sie der Besserung bedarf und der Besserung fähig ist.
Wie gesagt, ist das eigentlich niemals versucht worden, wenigstens
bei uns nicht. Auch von anderswo erinnern wir uns keiner prägnanten
Beispiele. Es geschieht daher zum ersten Male, dass uns die Fabrik von
V. Mayers Söhnen das Beispiel eines vollständigen Essbestecks von
jeder Art Gabel, Löffel und Messer vor Augen führt, das den Anspruch
nicht blos zweckmässiger, sondern auch kunstgerechter Formen erhebt.
Einer unserer berühmtesten Industriellen, der die Welt bereits mit so
vielen schönen Werken seines eigenen Namens erfüllt hat, ist eigentlich
ihr Urheber. Er hat die löbliche Sitte, nicht blos das Schöne zu ver-
breiten, sondern auch sich selbst damit zu umgeben und etwas Eigenes
zu haben. Das Resultat erscheint in der Hauptsache gelungen: die Formen
sind zweckmässig, handlich (probatum est!) und höchst gefällig. Wenn
etwas Anstoss erregt, so ist es vielleicht die unmotivirte Art, wie am
Ende das Monogrammschildchen angebracht ist.
Vereinzelt wie diese Erscheinung ist, steht auch in der Biiouterie,
in den eigentlichen Schmuckarbeiten das Gute vereinzelt da. Und das ist
nicht blos in der Weihnachts-Ausstellung der Fall, sondern es gilt wohl
von diesem edlen und feinsten Kunstzweige überall in Oesterreich. Mit-
unter tauchen einzelne, höchst glückliche Erscheinungen auf, aber sie ver-
sinken wieder in Vergessenheit ohne nachhaltige Folgen, ohne den ganzen
Zweig nach sich zu ziehen. Es fehlt an bestimmten und guten Rich-
tungen, die sich bleibend erhalten; es fehlt an einem Manne, an einer
Fabrik, die entschlossen vorwärts gehen und, wie es die Castellani mit
ltalien gethan haben, im Stande sind, die ganze Bijouterie in Oesterreich
in ihre Bahn fortzureissen. Achtbare Bestrebungen auf diesem Gebiete
haben wir öfter zu bemerken gehabt und so auch auf dieser Ausstellung.
Auch diesmal ist die Fabrik von V. Mayers Söhnen, die bisher immer
eine Zierde der Weihnachts-Ausstellung bildete, wiederum mit einer Reihe
zarter, höchst vollendet gearbeiteter Schmuckgegenstände erschienen, davon
man jedes Stück mit Vergnügen betrachtet; aber was man vermisst, ist
eben die bestimmte Richtung, der ausgeprägte Styl. Die Goldschmied-
schule von Prag unter Leitung von O. Menzel hat uns einige hübsche,
mit Email verzierte Gegenstände gesendet, aber sie liegen mehr im Genre
des Geräthes als des Schmuckes, der wohl in Böhmen bei dem Reich-