Um so mehr Aufmunterung verdienen die bis jetzt noch vereinzelten Versuche der
Wiederbelebung des Sgrafi-ito. Dieses Decorationsminel ist auch unter unserem Himmels-
striche vollkommen wetterbestandig, wie zahlreiche Beispiele beweisen. Dasselbe zog mit
den Kunstformen der Renaissance über die Alpen und bürgerte sich insbesondere in Süd-
westdeutschland und den österreichischen Staaten einschliesslich Ungarns und Schlesiens
ein, und die allen Unbilden der Witterung ausgesetzten, auch übrigens in keiner Weise
geschonten Malereien haben sich an vielen Orten Jahrhunderte hindurch trefflich erhalten.
Das Sgraflito ist ferner wenig kostspielig und bedarf zur Ausfü hrung nicht einer Künstler-
hand, sondern nur eines geübten Zeichners, welcher getreu die Vorlage vom Papier auf
die Wand überträgt. Es ist geeignet, die Wandtiachen anmuthig zu beleben, wirkt colo-
ristisch und doch immer massvoll, bei stylvoller Anwendung niemals bunt oder unruhig.
Der Hauptvorzug desselben liegt aber darin, dass es seiner Natur nach streng stylistisch
ist und bleiben muss. ln dieser Richtung konnen die Werke aus der Blüthezeit der
italienischen Renaissance durchaus als Muster aufgestellt werden. Da kommt nicht die
Verbindung von plastischem und SgraffitoVOrnament vor, welche die Wirkung beider
beeinträchtigt, das letztere wird nicht etwa als Füllung der Felder zwischen Pilastern
oder Karyatiden u. dgl verwendet, sondern breitet sich über die ganze Mauerflache aus,
an welcher höchstens die einzelnen Stockwerke auch äusserlich durch Gesimse gekenn-
zeichnet sind. Für Friese und Lisenen wird ein freies und reiches, figurales und Pßanzen-
Ornament gewählt, während die Felder haufig mit einem aus einfachen geometrischen
Formen zusammengesetzten Muster bedeckt werden. Und eben so wenig wie mit der
Plastik wird das Sgraffito mit dem Fresco verbunden, noch auch das erstere zur Decori-
rung von Innenräumen benützt, für welche der entschieden farbige Schmuck immer vor-
zuziehen sein wird.
Ueber die Technik des Sgraftito liegen verschiedene schriftliche Documente aus
älterer Zeit vor, nach denen aber nicht gearbeitet werden kann; wahrscheinlich sind die
Vorschriften nicht ganz vollständig, jedenfalls aber auf andere klimatische Verhältnisse
als die unsrigen berechnet.
ln Wien wurde zur Herstellung von Sgraffiten nachstehendes Verfahren mit dem
besten Erfolge angewendet.
Alle Flachen, welche decorirt werden sollen, erhalten vorerst einen rauhen Anwurf
von grobem Mörtel, welcher vollständig hart und trocken werden muss, bevor man weiter
vorgeht. An dem Tage, an welchem die Ausführung der Sgrafüten begonnen werden soll.
wird mit feinerem weissen Mörtel in der Dicke von r Centimeter ein so grosses Stück
bewerfen, als der Maler an einem Tage mit der Zeichnung zu bedecken gedenkt. lst
dieser Anwurf vollendet, so wird, so lange derselbe noch nass ist, der dunkle Mortel in
der Dicke von 4 bis 5 Millimetern aufgezogen und ohne Verzug reine oder mit Ocker
gebrochene Kalkmilch mittelst eines grossen Pinsels dreimal aufgestrichen.
Nach Verlauf von wenigen Minuten kann bereits die Zeichnung mittelst einer
durchstochenen Pause aufgetragen werden und die Arbeit des Malers beginnen.
Die Contouren werden mit eisernen GritTeIn verschiedener Grösse so tief eingegraben,
dass der dunkle Mortelgrund zum Vorschein kommt. Zum Herausheben der grösseren
Flachen werden breite, am unteren Ende gezahnte Eisen verwendet.
Zur Herstellung des dunklen Mörtels wird nach Angabe des Altmeisters Dr. Gottfr.
Semper anstatt des Sandes [gestampfte Steinkohlen- oder Schmiedeschlacke dem Kalke
beigemengt; hierzu kommt noch Pllanzenkohle undgelbes oder rothes Eisenoxyd.
Nach Vasarfs Angaben wird der gefärbte Mörtel unmittelbar auf den ersten groben
und trockenen Verputz aufgetragen. Die ltaliener führen die Arbeit am liebsten im Winter
(d. h. zur Regenzeit) aus. In unserem nordischen Klima, in welchem wir nur das Früh-
jahr, den Sommer und Herbst zu ähnlichen Arbeiten verwenden können, wurde die
gefärbte dünne Mortelschichte zu rasch trocknen und die Ausführung der Sgraffiti,
namentlich bei Ostwind, unmöglich machen, wenn nicht die Unterlage von frischem
weissen Mörtel das zu schnelle Trocknen verhindern wurde.
KLEINERE MITTHEILUNGEN.
(Spitzenlndusu-ie.) Die "Wiener Abendpostu vom 27. März schreibt:
Ihre Majestät die Kaiserin geruhte Freitag, den 23. d. M., Herrn Richard
Ritter v. Dotzauer, den Obmann-Stellvertreter des in Prag zur Beför-
derung der Erwerbsthätigkeit der böhmischen Erz- und Riesengebirgs-
bewohner gebildeten Centralcomite, huldreichst zu empfangen und von dem-
selben einen Bericht über die Thätigkeit dieses Comitä entgegenzunehmen.