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überliegende Wand werden nicht brauchbarer, letztere verliert überdies
an Breite ').
Der Wunsch, alle vier Wände gleichmässig zu beleuchten, und
zugleich eine möglichst grosse Lichtrnasse auf sie einströmen zu lassen,
hat dazu geführt, für grosse Räume dem Oberlichte den Vorzug zu geben,
und in der That fühlt sich jeder angenehm berührt, der aus den halb-
finsteren Zimmern mancher Galerien alten Stils in einen mit ausgedehn-
tem Oberlicht versehenen Saal eintritt.
Hier kann man alle vier Wände gleichmässig bis zu einer bestimm-
ten, leicht zu berechnenden Höhe, bei deren Ueberschreitung Spiegelung
eintreten würde, mit Bildern behängen. Es ist gut, hiermit in der Praxis
etwas unter der theoretisch berechneten Höhengrenze aufzuhören, weil
die Oberfläche keines Bildes eine absolute Ebene ist, und deshalb durch
die Erhöhungen und Vertiefungen kleine partielle Spiegelungen entstehen,
welche die Bildfläche mit einem silbergrauen Schimmer überziehen, der
die coloristische Wirkung, und, wenn er stärker ist, selbst die Deutlich-
keit des Erkennens beeinträchtigt.
Geht man in dieser Hinsicht vorsichtig zu Werke, und ist das
Oberlicht hinreichend frei und ausgedehnt, so lässt die Beleuchtung der
Bilder auf den ersten Anblick nichts zu wünschen übrig. Wie geht es
denn zu, dass so viele Künstler Gegner des Oberlichtes sind? Hat es
nicht vielleicht dem Seitenlichte gegenüber einen geheimen Nachtheil, der
erst dann merklich wird, wenn man Gelegenheit hat, ein und dasselbe
Bild bald nacheinander im Seitenlichte und im Oberlidhte zu sehen? Ich
selbst bin vor Jahren ein urrbedingterer Vertheidiger des Oberlichtes gewea
sen als jetzt, und bin erst durch erfahrene Künstler aufmerksam gemacht
und überzeugt worden ").
') Noch mehr beschrankt sich die Platzauswahl durch die häufig gestellte For-
derung, dass das Licht von derselben Seite einfalle, von welcher es auf dem Bilde als
einfallend gedacht ist, doch ist dies für den, der die Bilder als Kunstgegenstände, nicht
blos der Illusion wegen betrachtet, von untergeordneter Bedeutung, und auch sonst nur
für das Portrat, wo man den dargestellten Menschen gewissermaßen bei sich im Zimmer
hat, von grösserem Belang. Da, wo Landschaft, Architektur oder bestimmte, dem Zimmer
fremde Raume dargestellt sind, braucht man auch um der Illusion willen nicht die An-
forderung zu stellen, dass das Licht von derselben Seite einfalle, wenn auch nicht ge-
leugnet werden kann, dass in der Regel die Illusion leichter eintritt, wenn für die Wirk-
lichkeit und für das Dargestellte das jjcht von einer und derselben -Seite kommt.
") Man hat auch gegen das Oberlicht eingewendet, dass es bei heiterem Himmel
entweder die Sonne hereinlasse, oder das bläulich kalte Licht des Himrnelsgewölbes, aber
dieser Vorwurf kann kaum in die Wagsehale fallen, denn beim Seitenlicht hat man auch
theils mit der Sonne, theils oft genug mit höchst ungünstigen farbigen Reflexen VOn anderen
Gebäuden zu thun. Schliesslich kann man die Sonne abhalten und wurde das Licht, das
durch seine Farbe störend wirkt, dadurch neutralisiren können, dass man es durch schwach
gefärbte Gläser oder Stoffe gehen liesse, die den Ueberschuss der schldlichen Farbe ab-
sorbiren.