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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIII (1878 / 150)

Unsicherheit bei unsern Künstlern zu linden ist, ist darin zu suchen, dass 
die Künstler der neueren Zeit zur Uebung in den technischen Fertigkeiten 
des Malens und Modellirens viel zu spät zugelassen werden, während die 
Künstler der früheren Jahrhunderte die technischen Fertigkeiten schon in 
Knaben- und Jünglingsjahren erlernt haben. Wir wissen, dass Tizian, 
Tintoretto und Rafael in sehr jungen Jahren sich der Kunst widmeten, 
in die Bottega oder wie wir jetzt sagen würden, in das Studio oder 
Atelier ihrer Lehrer kamen. Bei den Niederländern und Deutschen haben 
wir, insbesondere bei ersteren, zahlreiche Aufzeichnungen in den Pfarr- 
matrikeln und Liggeren, die alle zeigen,iwie früh die Künstler in die 
Lehre kamen und wie früh sie fertig wurden. Paul Potter zeichnet Ra- 
dirungen schon im 18. Lebensjahre mit seinem Namen, van Dyck ist in 
seinem 19. Lebensjahre in die Malergilde aufgenommen worden, Berghern 
kam im 11., Adrian van Ostade im 13. Lebensjahre zu dem Meister. 
Dürer und Holbein ergriffen den Wanderstab, nach vollendeter Lehrzeit, 
vor dem 19. Lebensjahr, und wir dürfen voraussetzen, dass die Väter des 
Jan Weenix, Lucas v. Leyden u. A. die Zustimmung zur Vermälung wohl- 
nicht ohne alle Vorsicht gegeben haben, da ersterer im 18., letzterer im 
21. Lebensjahre heiratete. Letzterer war drei Jahre früher selbständiger 
Künstler. Nicht wenige Maler waren früher in der Lehre bei einem Golde 
schmiede, bevor sie sich der Malerkunst gewidmet haben. Es geht durch 
die Leistungen der ganzen Renaissance- und Barokezeit ein jugendfrischer 
Zug, der uns Allen wohlthut. Die Phantasie der Künstler ist nicht durch 
geistige Ueberfüllung, einseitiges Ausbilden des Verstandes und Gedächt- 
nisses geschwächt worden, wie es jetzt bei Künstlern und Handwerkern 
der Fall ist. Als der Vater des Michel Angelo seinen Sohn am i. April 1488 
zu den Ghirlandajds auf drei Jahre in die Lehre verdingte, um ihn als 
Maler auszubilden, war M. Angelo 13 Jahre alt. Der Vater M. Angela's 
schickte den Jungen nicht in eine allgemeine Volksschule oder in eine 
allgemeine Realschule oder sonst in irgend eine Mittelschule, wo er viel- 
leicht Schreiben, Erdkunde, Naturkunde, vaterländische Geschichte, T-urnen, 
die Elemente der Verfassung hätte lernen können, sondern directe in eine 
Werkstatt, und dort hat M. Angelo nicht das gelernt, was die moderne 
Volksschule verlangt, sondern er hat das gelernt was er brauchte, um ein 
tüchtiger Maler, ein nützliches Mitglied der Malergilde zu werden, und 
das ist ihm, dem Meister der Sixtina in vollem Masse gelungen. Dass 
M. Angelo seine Bürgerpflicht sehr tapfer und intelligent in späteren Jah- 
ren erfüllt hat, ist, nebenbei bemerkt, männiglich bekannt. Auch Rafael 
war bereits in seinem 17. Lebensjahre ein fertiger Künstler und war schon 
früher im Stande seinem Meister zu helfen. Bei Dürer ist es ebenfalls so 
gewesen. Van Dyck war im I9. Lebensjahre so weit ausgebildet, dass er 
ein grosses Altarbild zu malen im Stande war, und so könnte ich eine 
Menge Beispiele aus der Kunstgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts 
anführen, aus denen deutlich hervorgeht, dass die Maler der damaligen Zeit
	        
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