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im Rahmen des allgemeinen Zeitstyles, sie wohl dazu berechtigte. Einige
Nürnbergerinnen, also Bürgerinnen der seit Jahrhunderten hochbedeutsatnen
deutschen Kunstmetropole an der Pegnitz, verdienen zuerst genannt zu
werden, deren Entwürfen der damals im Gewetbefach hervorragende Verlag
des Weigelschen Geschäftes zu ihrem Unternehmen diente. Eine solche
Meisterin war z. B. Margaretha Helm, die Helmin genannt, deren Gemahl
als ehrsatner Cantor an der St. Aegydienkirche dortselbst bestellt war.
lhr Musterbuch führte, nach dem Geschmacke des Säculums den lang-
athmigen Titel: Kunst- und Fleissübende Nadel-Ergötzungen oder neu-
erfundenes Neh- und Stiele-Buch, worin dem, solche schöne Wissenschaft
liebenden Frauenzimmer. allerhand. zu vielen Sachen anständige Muster
und Risse nach der neuesten Facon zu deren nützlichen Bedienung, vor-
gestellt. Die Muster dieses Werkes athmen den echten Schnörkelstyl der
französischen Richtung, wie denn überhaupt die Mode jenes Landes fast
ausschliesslich in allen Nadelarbeiten der Zeit den Ton angibt; damals
glänzte am französischen Hofe unter dem vierzehnten Ludwig besonders
Frouny als berühmtester Kunststicker, dessen gestickte Prachtgewänder
europäischen Ruf besassen.
Jedermann weiss, dass um jene Zeit die weissen oder farbigen Staats-
fräcke sowie die Westen der eleganten Herren einen neuartigen bunten
Schmuck durch die Anbringung gestickter Ornamente erhielten, welche
man auf weissem, glanzlosen StolTe meist mit Chenillen auszuführen liebte,
auf dem glänzenden Seidengrunde aber mit, im Widerspiel dazu, glanz-
losen niedergenähten Schnürchen von allen Farbtönen. Blumen, Jagden,
Chinesereien, ja Vasen, Palmen, Schlangen u. drgl. waren die beliebtesten
Verzierungen zu diesem Zwecke. Die damals so sehr in Mode kommende
Chenille ist nun freilich aber eine bereits ältere Erfindung, deren bezeich-
nender Name von dem französischen Namen der Raupe hergenommen ist,
und das Schnürwerk in aufgenähter Application kennt auch in Deutsch-
land schon die Zeit Karls V., wie die damals erschienenen Musterbücher
für Dentelschnürwerk etc. beweisen. Fischart nennt dergleichen Arbeit
später: Goldarbeit von goldstrimen, Purpurrimen, gulden Schniren, ver-
garnirt vnd verkernet; die ursprüngliche Heimat derselben scheint jedoch
Italien gewesen zu sein.
Ein ebenfalls in dem Weigel'schen Verlage, 1727-30 erschienenes
Musterbuch, welches gleichfalls eine Frau zum Autor hat, gibt aber dem
Schnür- und Chenillenwerk französischen Ursprung, was für die direct an
die Verfasserin gelangten Vorbilder auch ganz richtig sein mag. lhr Name
ist Margaretha Krausin aus Nürnberg, wo sie um 1770 noch gelebt haben
soll, das Werk aber führt den Titel: Deutliche Vorstellung verschiedener
Risse zur löbl. Frauenzimmer-Arbeit, wie selbige bei Marseillen-Genähde,
niedergestocbenem Boden, Schnür-Chenillen-Arbeit, sammt andern nach
dem Leben mit Seiden genähten Laubwerk gebraucht zu werden pllegt.
Nach der neuesten F acon, mit allerley beliebigen Abwechslungen inventirt.