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erfüllt werden, sondern durch die Vorzüglichkeit und Sorgfalt der Wahl
des Geborenen. Die Ausstellung sollte eine Geschrnacksausstellung werden.
Es waren gewiss geistvolle und denkende Männer, welche dieses Pro-
gramm entworfen haben und sie würden sicher Dank geerntet haben,
wenn es möglich gewesen wäre, dieses Programm in Wahrheit auch
durchzuführen. Aber leider kam dasselbe nur theilweise zur Ausführung
und nur sehr wenige Abtheilungen am Marsfelde machen den Eindruck
einer Eliteausstellung, wie dies in einigen Abtheilungen der österreichischen
Ausstellung der Fall ist. lrn Ganzen und im Grossen kann man sagen,
dass fast bei allen Nationen die Männer, in deren Hände die Ausstellung
gelegt wurde, wir mögen Frankreich oder Spanien, Italien oder sonst ein
Land in Betrachtung ziehen, der Aufgabe, eine Eliteausstellung zu ver-
anstalten, nicht gewachsen waren. In vielen Abtheilungen dominirt die
Handelswaare; überall drängt sich der rein geschäftliche Standpunkt in
den Vordergrund. Die Japanesen haben diesen Standpunkt mit kauf-
männischer Virtuosität durchgeführt, theilweise auch die Engländer. Die
Franzosen, sonst so pünktlich, sind zu spät fertig geworden, und bringen
viele und wohlfeile Marktwaare, die umsomehr sich aufdrängt, als die
Franzosen bemüht sind, wohlfeil zu produciren, und die auswärtigen Con-
currenten durch billige, nur theilweise auch gute Waaren zu verdrängen.
Das Streben, die Ausstellung wie einen Markt auszubeuten,.verrückte den
Ausgangs- und Zielpunkt derselben. Daher kommt es auch, dass diese Aus-
stellung nicht jenen vornehmen Charakter an sich trägt, wie man es eben
von einer Eliteausstellung verlangen könnte. Neben den feinsten und vor-
nehmsten Gegenständen sieht man die gewöhnlichste Handelswaare, neben
Objets d'Arts im eminenten Sinne des Wortes, die grössten Verirrungen
industriellen Speculationsgeistes; das Gewöhnliche erdrückt das Bedeutende,
das kaufmännische Geschäft dominirt und von einer Eliteausstellung kann
diesmal in Paris keine Rede sein.
Zu allen diesen geschilderten Verhältnissen körnmt auch noch der
Umstand hinzu, dass die Ausstellung am Eröffnungstage unfertig war
und wahrscheinlicherweise auch bis Ende Mai bleiben wird. Es ist nicht
blos die äussere Unfertigkeit, die unangenehm berührt, sondern die Un-
fertigkeit der Ausstellung selbst, vor Allem der Mangel eines offiziellen
Ausstellungskataloges. Vergleicht man nach dieser Seite hin die
heurige mit der letzten Pariser Weltausstellung, die im April eröffnet
wurde, so kann man die französische Ausstellungscommission von dem
Vorwurfe nicht freisprechen, dass sie ihre Aufgabe zu leicht genommen
hat. Man hat erwartet, dass wenigstens die französische Abtheilung in
den ersten Tagen nach der Eröffnung fertig sein werde, man hat gehofft,
dass sie dem Publicum einen fertigen Katalog liefern wird, - weder das
eine noch das andere ist geschehen. Die Engländer und die Holländer
sind die Einzigen, welche mit dem Katalog fertig geworden sind; nur
England und Japan haben am Tage der Eröffnung das Bild einer fertigen
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