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S. 487, dass auf der Onyxschale von Neapel wEgypten dargestellt ist, in
dem Schmuck der Fruchtbarkeit, in der regensvollen Jahreszeit nach der
Ueberschwemmung und dem Ablauf der befruchtenden Gewässer des alten
einheimischen Flusses-i etc., enthält für Brunn unlösbare Widersprüche.
Was den künstlerischen Charakter der Arbeit betrifft, so ist der Kunststyl
wohl reiner, und nähert sich mehr dem Alterthum, als dies in dem
Braunschweiger Gefässe der Fall ist. Doch ist die Charakteristik der ein-
zelnen Gestalten auch hier nur äusserlich genommen, von verschiedenen
Orten zusammengesucht, nicht einheitlich aus dem Geiste des Künstlers
herausgewachsen.
Besondere Beachtung verdient noch das Ganze der Composition im
Verhältniss zum gegebenen Raume. Die ganze Schwere derselben neigt
nach der linken Seite und nach unten, während die andere Hälfte rechts
nach oben zu leicht empor schnellt, und während links die Composition
hinter dem Baumstamm eine Lücke zeigt, klebt sie rechts zu sehr an dem
Umrisse des runden Felsens, der sogar den Ellenbogen der zweiten Nymphe
geradezu abschneidet. Antike Arbeiten pflegen bei genauerer Betrachtung
_zu gewinnen. Hier werden wir anfangs durch Sauberkeit und geschickte
Eleganz der Ausführung geblendet; aber längeres Studium führt uns auf
die tiefer liegenden Schwächen. Die bisherigen Beobachtungen gewinnen
eine weitere Bestätigung durch die Betrachtung der untern Seite der
Schale. Dieselbe trägt ebenfalls einen Reliefschmuck, der aber nicht inner-
halb eines erhabenen Randes auf einer vertieften Fläche liegt, sondern
sich auf der Fläche ausbreitet und durch seine Unebenheit die tektonische
Function derselben, der Schale einen ruhigen und sichern Stand zu ge-
währen, vernichtet. Dazu kommt die durchaus nicht antike Regellosigkeit
in der Zahl und Anordnung der Schlangen, welche den Rand der Aegis
ganz losgelöst umspielen und der Mangel jenes architektonischen Cha-
rakters, der gerade dem Gebilde des Medusenhauptes so eigenthlimlich ist
und es zu decorativer Verwendung, welcher es ja auch hier dienen soll,
so geeignet macht. Jedenfalls also begegnen wir auch hier mehrfachen
Spuren von einem nur halben und daher ungenügenden Verständniss an-
tiker Muster. Und klingt es nicht wie eine Ironie, dass die älteste Kunde
von dieser Onyxschale des Museums von Neapel, wie bei dem Braun-
schweiger Gefässe, wiederum auf einen pllindernden Soldaten zurückführt.
ln diesem Falle soll der Raub beim Sacco von Rom 1527 durch die
Armee des Herzogs von Burgund geschehen, sogleich darauf das corpus
delicti von dem Hause Farnese angekauft worden sein. Dieser Bericht be-
weist höchstens, dass die Schale 1527 bei der Plünderung Roms bereits
existirte. Autiällig bleibt bei alledem vdass von einem so kostbaren und
im Museum der Farnese der Betrachtung zugänglichen Objecte zuerst im
Jahre 1736 durch Maffei wissenschaftlich Notiz genommen wirdu,
So werden wir durch die Betrachtung des Werkes Selbst und seine,-
Geschichte wiederum zu dem Schlusse geführt, dass wir es allerdings