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schuf. Schon die reine Renaissance mit ihren Rundbogen und einfacherem
Gewölbsystem gewährte mehr und besseren Flächenraum zur Entfaltung
der Malerei. Noch erhöht aber geschah es, als der Barockstil die Säulen-
reihen und die dreischiffige Eintheilung aufgab und das Innere der Kirche
in eine einzige ungebrochene Halle verwandelte, über welche sich eine
flache Decke oder ein nur wenig gehobenes Spiegelgewölbe legte, eine
Veränderung, zu welcher das ursprünglich vom Protestantismus hervor-
gerufene Bedürfniss der Predigt wohl am meisten beigetragen hatte.
Hier nun auf dieser flachen Decke war es ganz besonders, wo die
Malerei, welche durch die Schule der Bologneser in einem großen und
reinen Stil erhalten wurde, sich in reichen und mächtigen Darstellungen
erging. Die Perspective, welche den Meistern des Mittelalters so viel
Schwierigkeit bereitet hatte, wurde jetzt, mit Hilfe einer ausgearbeiteten
Wissenschaft, spielend bewältigt. Und wie in den Hallen der Paläste auf
den Plafonds der ganze Olymp sich in den Wolkenhirnmel emporthürmte,
so thronten auf den Decken der Kirchen Gott Vater und Christus mit
allen himmlischen Heerschaaren, emporsteigend in die Unendlichkeit der
Lüfte, des blauen Aethers.
So fehlte es den Kirchen des siebzehnten Jahrhunderts keineswegs
an reichem bildlichen Schmuck, aber was diesem selber fehlte, das war
der Ernst und die Tiefe des religiösen Ausdrucks. In dieser Beziehung
mussten diese gewaltigen Malereien - und das gilt nicht minder von
den Oelgemälden, welche reichlich die Altäre schmückten - hinter den
in Zeichnung und Ausdrucksweise so unvollkommenen Gemälden des
Mittelalters zurlickstehen. Der Charakter dieser Malereien des siebzehnten
und auch des achtzehnten Jahrhunderts südwärts wie nordwärts der
Alpen ist ein wesentlich decorativer, von dem die asketische Schule der
Spanier wohl eine Ausnahme macht, ihm aber so wenig widerspricht,
wie die Darstellungen meist vereinzelter Heiligen, welche schwärmerisch
und sehnsuchtsvoll den himmelnden Blick nach oben richten. Es ist
mehr Affect als Ernst.
Der decorative Charakter wird noch bestätigt und bestärkt durch
all" das Beiwerk, welches in dieser Epoche der barocken Kunst die Kirche
zu schmücken hatte. Wieder wie im Mittelalter ging man darauf aus,
keinen Fleck unverziert zu lassen, alles, was nicht die Gemälde bedeckten,
mit Ornamenten zu verzieren, die freilich an Erfindung, an Reinheit, an
Schönheit viel zu wünschen ließen. Farbe und Stucco waren es vor-
züglich, welche im Norden die Mittel des Schmuckes bildeten; zu ihnen
trat, wo das Vermögen vorhanden war, so reichliche Vergoldung, dass
die Gesammtwirkung wohl eine prächtige, keineswegs aber immer eine
harmonische oder edle war. Bei unsolidem Material war die Rechnung
auf den Schein gestellt. Wie die zahlreichen Statuen mit ihren falschen,
alfectirten Geberden und Stellungen nur da zu sein schienen, um Figur
zu machen, so war es auch nicht anders mit der ganzen decorativen