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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1888 / 4)

fender sein als der tiefe und gottergebene Ausdruck der Heiligen, wie 
sie ohnmächtig in Ekstase niedersinkt und von ihren frommen Schwestern 
gestützt wird. ein Bild innigster christlicher Schwärmerei! Und daneben 
macht sich auf den Pfeilern in groteskenhafter Decoration das classische 
Heidenthum breit mit einer Fülle seiner ihm eigenthümlichen Gestalten. 
Da sieht man Satyrn und Sphinxe und Amoretten und die tanzenden 
Grazien, nackte Knaben, welche das Feuer auf dem Dreifuß anblasen, 
nackte Männer in kauernden Stellungen, phantastische Thiere mit Men- 
schenköpfen, Vasen und Fruchtgehänge, alles auf Goldgrund von wunder- 
schöner decorativer Wirkung und malerisch betrachtet vortrefflich in 
Harmonie mit den figürlichen und landschaftlichen Bildern, aber doch 
vom religiösen Standpunkt so unchristlich, so unkirchlich wie möglich. 
Die Kirche befreite sich allerdings wieder ziemlich früh von dieser 
heidnischen Decoration, und nun trat jene bunte Marmorincrustation 
wieder hervor und bedeckte auf's Neue das Innere der Kirchen, so viel 
Bilder und Sculpturen an Raum noch übrig ließen. Die Tendenz ging 
auf farbige und reiche Wirkung, wie ja auch Material und Herstellung 
kostbar genug waren. Und ohne Zweifel konnte damit eine edle Wirkung 
erzielt werden. Als ein vorzügliches Beispiel dieser Artist mir die schöne 
Renaissancekirche San Sebastiano in Palermo erschienen; während" San 
Martino in Neapel wohl einen überaus prächtigen, aber auch bunten und 
unruhigen Eindruck macht. Das gewaltigste Beispiel ist wohl St. Peter 
in Rom. ' . 
So hat auch die Barockzeit wenigstens mit dem Aufwand aller 
Kunst und aller Mittel, die ihr zu Gebote standen, für den Schmuck 
der Kirche gesorgt. Im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts begann man 
darin nachzulassen und mit der Vorliebe für den grauen Stucco aller 
bildlichen und farbigen Ausschtnückung z_u entsagen, bis man zum grauen 
oder weißen Anstrich gelangte. Und mit dieser Nüchternheit und dieser 
Entsagung ist die Kirche in das neunzehnte Jahrhundert eingetreten. Als 
nun gar die Restaurationsepoche kam und man glaubte, alle mittelalter- 
lichen Kirchen auch in den mittelalterlichen Charakter reinster Art 
zurückversetzen zu müssen, und diese Puritaner alles, was die spätere 
Zeit geschaifen hatte, hinauswarfen, da kam man auf den nackten Stein 
und strich das innere wie man sagte nsteinfarbenu an. Das haben wir 
ja noch erlebt. . 
Dagegen ist nun heute, wo das Auge sich wieder an Farbe zu 
gewöhnen beginnt, ia sie aufsucht, glücklicherweise eine Reaction ein"- 
getreten. Man verlangt wieder den Schmuck der Kirchen, bildlich wie 
ornarnental, man verlangt wieder nach der Farbe, die Frage ist nur, wie 
es in rechter Weise geschehe. 
Da ist nun wohl ohne Zweifel ein richtiger Grundsatz, dass der 
Schmuck sich dem Stil der Kirche anschließe, da ja der Regel nach die 
neue Kirche im bestimmten Stile gebaut wird, und die alten, welche zu
	        
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