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Verbindung mit der Kirche, wenn sie auch in den Kirchen oder vielmehr
in den Capellen derselben ihre bevorzugte Stätte noch eine Weile behielt.
Die nächste Folge des Naturstudiums war es, dass das Porträt in
das religiöse Bild eingeführt wurde, nicht das Porträt der Kirchenfürsten,
wie das in der alten christlichen Kunst der Fall gewesen war, sondern
das Porträt zeitgenössischer Persönlichkeiten. Man gab den heiligen Per-
sonen oder dem begleitenden Volke die Köpfe seiner Freunde, der An-
gehörigen derer, welche die Stifter der Gemälde waren, oder sonst belie-
biger Personen, die eben interessant und brauchbar erschienen. Es ist
zwar nicht zu leugnen, dass gerade in diesem Porträtartigen, in dem
menschlich Wahren und ihrer treuen Darstellung ein Hauptreiz der
Meister der Frührenaissance liegt, der sie uns so anziehend macht und
so mitempfinden lässt, andererseits kann man aber auch nicht in Abrede
stellen, dass damit ein weltliches Element in die religiöse Kunst hinein-
kommt. Zu dem Porträt gesellt sich dann als weitere Consequenz das
zeitgenössische Costüm, und da dieses damals reiche Farben und excen-
trische, bizarre Formen liebte und an Glanz und Schimmer sich erfreute,
so kam mit dem Costüm Liebe an Prunk und Luxus, worin alsbald die
Maler zu schwelgen begannen, ohne Zweifel zum Vortheil der Kunst,
zum Vortheil einer pittoresken Darstellung. Dem Costüm folgte das
Geräth, die Architektur, die Landschaft, in welcher der Künstler lebte,
und so wurde das religiöse Gemälde, statt von allem Zeitlichen frei zu
sein, ein Bild aus der Zeit und dem Leben Italiens im fünfzehnten
Jahrhundert.
In dieser Richtung nun ist Masaccio der Führer. Wenn er in der
Einfachheit und Ruhe der Compositionen noch auf Giotto zurückweist,
so ist er andererseits in der Darstellung des Lebens, in der realen Wahr-
heit der Begründer der nachfolgenden Kunst, der eigentlich florentinischen
Schule. Er vereinte, was seine Vorgänger und Zeitgenossen leisteten, er
betrieb und vervollkommnete das anatomische Studium und die Behand-
lung des Nackten, darin seine Bilder einen großen Fortschritt bedeuten;
er urnhüllte seine Gestalten mit Luftperspective; mit jugendlichen Feuer
leitete er zu jener Kühnheit und Kraft der Zeichnung, welche die floren-
tinische Schule auszeichnet. Wie seine Gestalten Leben und Wahrheit
hatten, so wusste er auch den Männern Würde und Größe und den
Frauen Anmuth und Schönheit zu geben. So wurde er auch darin ein
Führer, in jener Richtung der italienischen Kunst, welche die Schönheit
der menschlichen Gestalt zum Ziele hatte, die körperliche Schönheit der
Männer wie der Frauen.
So kam Masaccio fast der Vollendung nahe. Den letzten und
höchsten Schritt aber auf diesem Wege einer realen, nach Schönheit und
Wahrheit zugleich trachtenden Kunst, ohne noch, gleich Rafael, in das
Ideale hinüber zu schreiten, that ein halbes Jahrhundert später Domenico
Ghirlandajo. Auch diesem großen, aus den zahlreichen Zeitgenossen her-