114
mit großem Aufwande hergestellten Neubau bis zur Vertreibung der Deutschen aus dem-
selben durch die Regierung des wKonigreiches Italien: im Jahre 1806. Die Baugeschichte
anbelangend ist zu erwähnen, dass der Verfasser für die Autorschaft des Girolamo
Todesco eintritt gegen Cmwe, welcher diesen Architekten verdrängt werden lässt, bevor
er hatte an die Ausführung des Werkes gehen können. Uebrigens werden die kunst-
histurischen Beziehungen, welche sich an den Fondaco knüpfen, von Simonsfeld nur
gestreift; um so reicher ist die culturgeschichtliche Ausbeute. Wenn auch die gewalt-
same Zerstörung des merkwürdigen Institutes nur dem l-linsterben an Altersschwäche
zuvorkam, bleibt es immerhin auffallend, dass dieses eine Waaren- und Einkehrhaus für
die Handeltreibenden einer einzigen Nation alle ähnlichen mittelalterlichen Einrichtungen
so lange überlebt hat. Der Verfasser findet den Grund hiefnr eben darin, dass der Fon-
daco nicht Eigenthum der Fremden, wie die deutschen Kaufhöfe in Nnwgorod und
London, sondern des Staates war, dass die Fremden nur ein geringes Maß von Selbst-
verwaltung, keine eigene Gerichtsbarkeit besaßen, sich auch in inneren Angelegenheiten
der Entscheidung der venetianischen Behorden unterwerfen. Denn der große Werth,
welchen dieses Bindeglied zwischen Italienern und Deutschen (denen in handelspolitischer
Beziehung auch die Schweizer, Westslaven, Ungarn und die Unterthanen des Herzogs
von Savoyen zugezahlt wurden) für alle Betheiligten hatte, indem für die eingeführten
nordischen Erzeugnisse italienische als Rückfracht genommen werden mussten, Venedig
ferner die Hochschule für die jungen Kautieute aus Deutschland war, und aus anderen
Gründen mehr - der war ja durch den Umschwung in politischen und Verkehrsverhält-
nissen langst sehr vermindert worden. Von hohem Interesse sind auch die Darstellung
des inneren Lebens im Fondaco, der Rangstreitigkeiteu und Eiferstlchteleien, welche
zwischen verschiedenen Handelsplätzen nicht ausblieben, der Verkehrswege, der ein-
oder ausgeführten Wuaren, dann der Nachweis der von Deutschen in Venedig betrie-
benen Gewerbe (Backer, Schuhmacher. Weber stehen in erster Linie, dann Paternoster-
rnacher, ein Goldschmied, Buchdrucker etc.), endlich die Abbildungen den Fondaco von
1500 und 1828. B.
-v_-
Handarbeit. Vortrag, gehalten in der volkswirthschaftlichen Gesellschaft
zu Berlin am 12. März 1887 von Julius Lessing. (ln erweiterter
Form.) Berlin, Leonh. Simion, 1887. 8". 34. S. M. r.
Mit der gesteigerten Actualitat, welche die Fragen in Bezug auf Handarbeit im
Gegensalze zur maschinenmäßigen Erzeugung bis jetzt errungen haben, mehren sich in
progressiver Weise die Streitschriften, welche von den verschiedensten Standpunkten
aus versuchen, Licht und Klärung in jene noch lange nicht zur Gänze begriffenen Ver-
hältnisse zu bringen, die ihren Ursprung im Kampfe des Handwerks mit dern fabriks-
mäßigen Gewerhehetriebe haben.
Bei verschiedenen, in ihren sonstigen Anschauungen völlig auseinandergehenden
volkswirrhschaftlichen Fractionen mag am gleichmäßigsten vielleicht nur die Thatsache
zur Erkenntniss gelangt sein, dass ein kleines, der Handarbeit noch festen Boden gewäh-
rendes Gebiet nur mehr dort zu suchen sei, wo es sich um Leistungen handelt, welche
mit Rücksicht auf das Bedurfniss des Einzelnen oder auf den vorgesteckten künstlerischen
Zweck von der Massenarbeit ausgeschlossen sind. Dieses Gebiet in's Auge fassend ist
auch Lessing zunächst zu dem Punkte gelangt, nan welchem das Studium der Kunst- V
und Culturgeschichte Fnhlung bekommt mit dem Studium der Volltswirthschaft und sich
die Aufgabe stellen muss, das eigenthumliche Verhaltniss zwischen Handarbeit und Ma-
schinenarbeit naher zu bestimmenl. ln der That liegt auch hier das punctum saliens,
aus dem sich auf's Neue ein lebenskraftig organisirter Gewerbestand entwickeln kann.
Ohne die Schwierigkeiten zu verkennen, welche sich einer solchen Wiedergeburt
entgegenstellen, sieht Lessing doch im Ganzen und Großen optimistisch der Entwickelung
der Dinge entgegen. Die industrielle Fruchtbarmachung ästhetischer Bedürfnisse, wie wir
das Princip der ltunstgewerblichen Masaenerzeugung wohl nennen möchten, soll nach
Lessing's Anschauung, wenigstens in gewissen Fällen, in sich selbst schon ein Correctiv
tragen. Die wohlfeilen, vorgeblich zur Befriedigung des Schbnheitssinnes dienenden
Waaren, welche in Unmassen allen, auch den unbegnterten Ständen der Gesellschaft zur
Verfügung gestellt werden, sollen nach den Ausführungen Lessings den Luxus in gewisser
Art fördern und dessen Forderungen allmälig zu Bedürfnissen umgestalten; dabei soll
bei dem Umstande, ndass in der menschlichen Seele der Widerstand gegen das Seelen-
lose der Maschine lebendig bleibtu, der Werth der Handarbeit, welche ader Maschinen-
arbeit gegenüber in einer fast religiösen Heiligkeit erscheinn, zu erneuter, ja durch
den vermehrten Luxus gesteigerter Geltung gelangen.
Die beste Förderung des Handwerkes erhofft Lessing von der Elektricitat als
neuer Triebkraft, welche den Einzelnarbeiter in Stand setzen kann, sich durch Hilfs-