wir diesen Sommer auf der Berliner Ausstellung lebensgross als gesticktes
Paneel an einem von Frau Cornelia Paczka entworfenen Kasten gesehen-
In Leder haben sich eigentlich nur Julius Franke und F. W. Papke
nach Originalentwürfen hervorgethan. Man glaubt gar nicht, dass Wien einst
die erste Lederstadt der Welt war. Auf diesem Gebiete bedarf es dringend
eines passionirten Talentes, das uns die Ausländer wieder einholt.
Im Ganzen zeigt sich, dass das österreichische Museum aus einer
codificirenden und assistirenden Periode neuerdings in eine schaffende
eingetreten ist. Die Anregungen, die vom Museum ausgehen, haben in Wien
wie in der Provinz schon neues Leben hervorgerufen. Die Isolirung, in die das
Wiener Kunstgewerbe bereits gerathen war, ist behoben. Es wird kein Kirch-
thurm-Kunstgewerbe mehr gemacht, das Wiener Kunsthandwerk ist wieder
in Europa. Auch die Schule fühlt diesen Einfluss und hat sich unter ihm
verjüngt. Lange genug hatte
sie in bequemen Gewohnheits-
geleisen an dem Museum vorbei-
gearbeitet und war eigentlich
souverän gewesen. Das Ergeb-
nis war, dass das Museum
seine Kunstgewerbeschule retten
musste. Es hat sie durch Zu-
führung jungen Blutes auf-
gefrischt und durch Weietr-
steckung des Horizontes moder-
nisirt. Ihre jetzigen Leistungen
weisen in eine gedeihliche Zu-
kunft. Das Museum aber ist
wieder als der Brennpunkt prak-
tischer Anregungen erkannt, es
wirkt in die Schule hinein, aber
auch unmittelbar in das Leben
hinaus, auf den Handwerker
selbst, der sich nicht mehr auf
die Schulbank setzen kann. Die
verhältnismässig raschen und
umfassenden Erfolge, die hier
erzielt wurden, sind ein giltiger
Beweis, dass der jetzige Zu-
sammenhang von Mutter- und
Tochteranstalt, bei richtiger
Leitung des Museums, unter
den verhältnismässig doch engen
Wiener Verhältnissen das Ge-
deihlichste ist.
F. Halmschlag, Pfeilerkasten, Ahom