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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1888 / 6)

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Tafeln zu Grunde liegen, wird vermisst. Zu Seite 30 möchte ich hier eine Bemerkung 
machen, welche zu dem Verstandniss der dort erwähnten nStirnlockec wesentlich (wie 
ich hoffe) beitragen wird. Im Repertorium (VII, 350 K.) habe ich auf das hauflge Vor- 
kommen eines Stirnbüschels bei Christus und anderen Heiligenfiguren in byzantinischen, 
italienischen und deutschen Miniaturen meines Wissens zuerst aufmerksam gemacht. 
Zu den damals gegebenen Beispielen und Vermuthungen habe ich Nachtrage zu liefern, 
die sich hauptsächlich auf den Ursprung der Stirnlocke beziehen. Vor etwa zwei Jahren 
sind mir unter den arabischen Miniaturen der berühmten Papyri Erzherzog Rainer 
einige Köpfe aus dem ca. 10. oder n. Jahrhundert zu Gesicht gekommen, die ein Stirn- 
buschel zeigen, ganz ähnlich dem in den byzantinischen Bilderhandschrilten. Herr Pro- 
fessor Karabacek hatte nun die Güte mich darauf aufmerksam zu machen, dass diese 
Stirnlocke bei den Orientalen als Zeichen der Freiheit anzusehen sei. Dadurch gewinnt 
sofort eine ganze Reihe von Thatsachen inneren Zusammenhang. Es wird klar, dass das 
Stirnbüschel aus der orientalischen Cultur stammt, dass es von dort in die byzantinische 
Kunst als Abzeichen besondererWürde übergegangen ist und mit dieser einen wechselnden, 
stellenweise auftretenden Eintiuss auf die Kunst des Westens ausgeübt hat. Wenn man 
den Ausdruck i-byzantinischer Einliussu nicht missverstehen will und auch an eine indi- 
recte Vermittelung denkt, so kann man das Stirnbüschel ganz wohl als Leitmuschel für 
Ablagerungen byzantinischen Einflusses ansehen. Nach Deutschland dürfte_das Motiv haupt- 
sachlich durch Vermittelung Italiens und nur in seltenen Fallen unmittelbar aus Byzanz 
gekommen sein. Die kleinen Nachträge, die ich zu meinen vorläufigen Mittheilungen im 
Repertorium zu machen habe, beziehen sich auf einen Christuskopf in den Pontianus- 
Katakomben. Die alteren Abbildungen bei Aringhi, Bottari, Perret, Garrucci, Crowe und 
Cavalcaselle sind für unsere Zwecke kaum brauchbar, weshalb ich gleich auf Roller les 
catacombes verweise, wo eine zuverlässige Abbildung sich findet (PI. XCVll, Text p. 343). 
Roller setzt den Kopf in's 7. bis 9. Jahrhundert, Lefort weist ihn der ersten Halfte des 
7. Jahrhunderts zu, was ich nicht vertheidigen möchte. Auch auf die kleine Photographie 
Nr. 607 in Parlter's Sammlung sei hier hingewiesen, da auch dort das Stirnbuschel 
genau zu unterscheiden ist. Beachtet sind die zwei nStrahlen- wenigsten bei Crowe und 
Cavalcaselle (Jordan I, 37). Erwähnen mochte ich aus späterer Zeit das Vorkommen 
der Stirnlocke an dem jugendlichen Christus im Evangeliar des Godescalk (Paris, mehr- 
mals abgebildet), das Fehlen desselben in den angelsächsischen Bilderhandschriften. ln 
deutschen Handschriften ist es nicht eben selten und reicht in einzelnen Fallen sogar 
bis in's spate Mittelalter. Das um nz7 entstandene Chormissale aus dem Kloster 
Weingarten (jetzt in der Ambraser-Sammlung) zeigt diese Frisur bei Christus und bei 
einigen Aposteln, was auch in der Literatur schon vermerkt ist (vergl. Jahrb. der Kunst- 
sammlungen des Allerh. Kaiserhauses, V. Bd. Regestentheil Nr. 400i). Als Vorkommen 
an byzantinischen Kunstgegenstanden verzeichne ich noch beispielsweise drei Falle auf 
wichtigen Elfenbeintafeln. Eine derselben befindet sich im Musee Cluny als Nr. m35, 
die zweite (vom Jahre m68) im Cabinet des medailles zu Paris als Nr. 32.68, die dritte 
ebendort als Nr. 3269. Auf den berühmten Emails des Staatsrathes Svenigorodskoi, die 
Pfarrer Schulz in Aachen zu publiciren im Begriße steht (eine kleine Abhandlung mit 
Lichtdrucken nach diesen Emaux cloisonnes hat Schulz schon vor einigen Jahren aus- 
gegeben) findet sich das Stirnbüschel bei Christus, bei Johannes dem Theologen, bei 
Johannes dem Vorläufer und bei Paulus. In der venetianischen Kunst lässt sich der 
byzantinische Typus des Johannes Baptista mit der Stirnlocke herauf verfolgen bis zur 
Renaissancezeit, die noch genug Reminiscenzen an die alteren Vorbilder aufzuweisen hat. 
Aehnlich ist es auf anderen Territorien Italiens. Erlaubte es der Raum, so würden 
noch eingehende Beachtung verdienen: das Stirnbüschel in der palermitanischen Kunst, 
dann etwa das Vorkommen in dem berühmten Stuttgarter Psalter aus dem w. Jahrhun- 
dert, der wohl nach südfranzüsisch-spanischer Vorlage ausgeführt ist und in welchen 
das Stirnbüschel von der deutschen Hand der Copisten eingeführt sein mag; - ferner 
das Vorkommen in den Miniaturen des hortus deliciarum der Herrad von Landsberg 
(vergl. die Heliogravüren nach Bastards Bausen in nGazette arclieologique: 1885 und 
:L'Art: 1875, lll, 359), sowie mehrere Köpfe mit Stirnlocke in deutschen Wandmale- 
reien (in der Schlosskirche zu Quedlinburg, in der Domkrypta zu Braunschweig) u. s. w 
Bezüglich eines Ziermotives, das in der Umrahmung des Christuabildes und der 
Allegorie der Kirche im erwähnten Sacramentarium Gregorii vorkommt, -habe ich eine 
Bemerkung zu machen, die Oechelhauser S. 42 f. erganzt. Dieses Ornament mit den 
von vier Viertelltreisen begrenzten Knochelehen, die iedesmal rechtwinkelig gegen ein- 
ander gestellt sind und so ineinander greifen, dass sie die Flache ganz füllen, geht 
höchstwahrscheinlich auf römische Fußboden-Mosaiken zurück,die es ihrerseits vielleicht 
wieder aus dem Orient genommen haben. (Die Composition des Motives'aus dem Quadrat 
heraus legt die Vermuthung orientalischen Ursprunges nahe.) lch kenne mehrere pro- 
vincielle römische Ziegelmosaiken, die im Wesentlichen dasselbe Motiv aufweisen. Ein 
karolingisches Vorkommen hat Oechelhauser hier selbst verzeichnet. Dagegen, meine
	        
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