Relief, sondern wieder geebnet, so daß die Wirkung immer die einer Flächendecoration
bleibt, so sind die gehöhten Flächen gewöhnlich vergoldet, während das Roth den
tiefen Grund bildet und Blau die Mittelrolle übernimmt. Doch ist dies nicht durchgängig
der Fall, Roth und Blau wechseln auch in den Gründen, und Gold bildet zugleich die
feinere Ornamentirung auf dem Laub der Arabeske. Auch Weiß tritt wohl in feinen Linien
dazwischen, entweder um das beliebte Federartige der Blätter (s. besonders „Gewer
behalle“ 1864 S. 55. Nr. 6. - Abb. 313) zu zeichnen oderum die Farben von einanderzu
trennen, was im heutigen Orient vielfach durch Schwarz geschieht. Eigentlich orna
mental findet Weiß nur die allersparsamste Verwendung.
Wenn die maurische Kunst in allen diesen Prinzipien den großen allgemeinen Gesetzen
der Natur folgt, deren Wesen die Ordnung und die Regelmäßigkeit ist, so hütet sie sich
ebenso sehr die Zufälligkeiten ihrer äußeren Erscheinung nachzuahmen. Insofern ist
der maurische Stil derfernste Gegensatz des Naturalismus. Die meisten Bestandtheiie
der Alhambra=Arabeske lassen kaum eine Erinnerung an die Natur auftauchen, und
diejenigen seltneren, welche directer auf bestimmt vorkommende Pflanzen (s. „Gewer
behalle“ 1864 S. 55 Nr. 7. - Abb. 321) hinweisen, sind so stilisirt gezeichnet und so wenig
Nachbildungen dieser Pflanzen, daß es kaum je möglich ist, das Original zu erkennen.
Eine solche Stellung gegenüber der äußeren zufälligen Natur hatte schon der Byzanti
nismus, nur mit dem Unterschiede, daß seine Pflanzenformen gewöhnlich noch eine
symbolische Bedeutung hatten, während die der maurischen Kunst lediglich ohne alle
Nebenbedeutungen den formellen Zwecken der Kunst dienen. Sie sind allein für das
Auge und nur durch die Freude, die sie diesem gewähren, wirken sie weiter auf die
Gemüthsstimmung und den Geist. Möglich ist es also, daß der Araber dieses sein
Verhältniß zur Pflanzenwelt auf dem Gebiete der Kunst bereits seiner Lehrmeisterin, der
byzantinischen Kunst, verdankt, gewiß ist aber, daß es vollkommen sein Eigenes
geworden ist und den wesentlichsten Charakterzug seiner Ornamentik bildet.
Zu dieser Stellung der Natur gegenüber war er noch durch einen anderen Umstand
hingedrängt. Das Verbot der Naturnachahmung, welches der Koran seinen Bekennern
vorschreibt, sollte sich zwar zunächst nur auf die Nachbildung von Menschen und
Thieren beziehen, aus Furcht nämlich, daß sie zu Götzenbildern benützt werden
könnten. Aber dieses Verbot hat die ganze Gestaltung der sarazenischen Kunst
bedingt, hat die Decoration zum Wesen derselben gemacht, und es konnte somit nicht
ausbleiben, daß es, weil es anderswo die directe Nachbildung ausschloß, vielleicht
auch den Pflanzen gegenüber eine ähnliche Wirkung hatte.
Der Mensch, sonst überall der höchste Gegenstand der Kunst, ist durch das Verbot
des Koran vollkommen aus der Kunst des Islam ausgeschlossen worden. Zwar gibt es
einzelne Ausnahmen, wie z.B. auf der Alhambra selbst das bedeutendste Beispiel, die
figurenreichen Malereien im Saale des Gerichts, Ausnahmen, welche frivolen Zeiten
des Sarazenenthums, die sich über die Beschränkungen des Koran hinwegsetzten,
ihre Entstehung verdanken, aber diese Ausnahmen sind sehr selten und haben auf die
Entwicklung der orientalisch=saranzenischen Kunst gar keinen Einfluß gehabt. Die
selbe mußte durch das Verbot der Nachbildung des Menschen rein decorativ werden
und ist es geworden.
Das Thier war ebenfalls durch das Verbot ausgeschlossen, aber die Kunst wußte es
doch in ihren Kreis hinein zu ziehen und sich dienstlich zu machen, wenn auch in
verhältnismäßig sparsamer Weise. Der arabische Künstler stilisirte das Thier, vermied
so die directe Nachbildung und fühlte sich gerechtfertigt vor dem Verbot. Den
Menschen stilisiren, das wäre nichts anderes gewesen, als ihn in Form und Geist ideali-
siren, und damit wäre eine directe Nachbildung nicht vermieden worden. Das Thier
wurde aber durch die Stilisirung ein anderes; die Natur gab nur die Idee her und das
Geschöpf des Künstlers hatte keine Existenz mehr in der Wirklichkeit.