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Naivität beginnen nun zwei künstlerische Ausdrucksformen sich neben-
einander brüderlich zu vertragen, die ihrem System und ihrer Theorie
nach sich eigentlich hätten befehden sollen. Sie vereinigen sich durch
gegenseitige Zugeständnisse und bringen auf diesem Wege zahlreiche
reizende neue Formgebilde hervor, bei welchen man aber in der Regel
jenen Compromiss entdeckt, wenn man ihren Entwickelungsgesetzen
nachforscht. - So sind denn auch die einzelnen Glieder solcher Hals-
ketten an und für sich oft wahre Wunderwerke der Goldschmiedekunst;
Edelsteine, Perlen und namentlich ein reicher Aufwand von Email ver-
binden sich zu äußerst brillanten EHecten und überstrahlen mit ihrem
Glanze die prächtigen Gewänder aus schwerer Seide und großblumigem
Sammt, die Brocatstoife und bunten, golddurchwirkten Gewebe. Eine
solche Prachtkette anschaulich zu beschreiben ist aber kaum möglich,
und diese Schwierigkeit gehört mit zu ihrem Charakter, wie zum Cha-
rakter des Renaissance-Schmuckes überhaupt, denn fast niemals haben
wir Objecte vor uns, die sich nach strengen Bildungsgesetzen mit logi-
scher Klarheit entwickeln, sondern jene außerordentliche Freiheit, welche
im Costüm des 15. und 16. Jahrhunderts herrscht, wiederholt sich in
allerdings beschränkterer Weise auch beim Schmuck. Wir sehen Com-
binationen einzelner Ornamentmotive, die in unzähligen Variationen sich
verbinden oder durchkreuzen, sich wiederholen oder aneinanderreiben,
sich um ein Centrum, eine Längen- oder Querachse anordnen, und so
einmal zu diesem, einmal zu jenem Schmuckgegenstand zusammenfinden.
Jener malerische Zug der Renaissance, welcher selbst in der Architektur
unverkennbar hervortritt, macht sich noch viel mehr auf einem Kunst-
gebiete geltend, das mit dem Bauwesen absolut nichts zu schaffen hat, und
berücksichtigt tektonische Gesetze nur so weit, als es der gute Geschmack
unbedingt erfordert. So bildet denn speciell bei Ketten jedes einzelne Glied
ein mehr oder minder in sich abgeschlossenes Ornament, das sich entweder
wiederholt oder mit anders geformten Gliedern alternirend die Bestand-
theile der Kette ausmacht. Nicht selten weisen die einzelnen Glieder eine
gewisse Bezugnahme auf den Träger der Kette auf, wie bei Brautketten,
wo wir die Wappenbilder der beiden in Verwandtschaft tretenden Fa-
milien in das Ornament verflochten linden, bei Gnaden- oder Ehren-
ketten, die durch Embleme oder Initialen auf den Spender Bezug nehmen,
oder bei Ketten der verschiedenen Orden, Gilden und Gesellschaften,
welche symbolische Anspielungen aufweisen.
Mit den Ketten steht nun ein weiterer Schmuck in Verbindung,
welcher im 16. Jahrhundert die höchste Ausbildung erfuhr, der soge-
nannte Anhänger. Namentlich bei diesen Objecten entfaltet sich das
ganze Können der Goldschmiede, die reiche künstlerische Phantasie der
Zeit und die subtilste, bewunderungswürdigste Technik. Besonders feiert
hier die Emailarbeit ihre höchsten Triumphe. Sie wird dazu benützt, die
einzelnen "Ornamente durch. verschiedene Farbengebung auseinander zu
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