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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IV (1889 / 1)

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Naivität beginnen nun zwei künstlerische Ausdrucksformen sich neben- 
einander brüderlich zu vertragen, die ihrem System und ihrer Theorie 
nach sich eigentlich hätten befehden sollen. Sie vereinigen sich durch 
gegenseitige Zugeständnisse und bringen auf diesem Wege zahlreiche 
reizende neue Formgebilde hervor, bei welchen man aber in der Regel 
jenen Compromiss entdeckt, wenn man ihren Entwickelungsgesetzen 
nachforscht. - So sind denn auch die einzelnen Glieder solcher Hals- 
ketten an und für sich oft wahre Wunderwerke der Goldschmiedekunst; 
Edelsteine, Perlen und namentlich ein reicher Aufwand von Email ver- 
binden sich zu äußerst brillanten EHecten und überstrahlen mit ihrem 
Glanze die prächtigen Gewänder aus schwerer Seide und großblumigem 
Sammt, die Brocatstoife und bunten, golddurchwirkten Gewebe. Eine 
solche Prachtkette anschaulich zu beschreiben ist aber kaum möglich, 
und diese Schwierigkeit gehört mit zu ihrem Charakter, wie zum Cha- 
rakter des Renaissance-Schmuckes überhaupt, denn fast niemals haben 
wir Objecte vor uns, die sich nach strengen Bildungsgesetzen mit logi- 
scher Klarheit entwickeln, sondern jene außerordentliche Freiheit, welche 
im Costüm des 15. und 16. Jahrhunderts herrscht, wiederholt sich in 
allerdings beschränkterer Weise auch beim Schmuck. Wir sehen Com- 
binationen einzelner Ornamentmotive, die in unzähligen Variationen sich 
verbinden oder durchkreuzen, sich wiederholen oder aneinanderreiben, 
sich um ein Centrum, eine Längen- oder Querachse anordnen, und so 
einmal zu diesem, einmal zu jenem Schmuckgegenstand zusammenfinden. 
Jener malerische Zug der Renaissance, welcher selbst in der Architektur 
unverkennbar hervortritt, macht sich noch viel mehr auf einem Kunst- 
gebiete geltend, das mit dem Bauwesen absolut nichts zu schaffen hat, und 
berücksichtigt tektonische Gesetze nur so weit, als es der gute Geschmack 
unbedingt erfordert. So bildet denn speciell bei Ketten jedes einzelne Glied 
ein mehr oder minder in sich abgeschlossenes Ornament, das sich entweder 
wiederholt oder mit anders geformten Gliedern alternirend die Bestand- 
theile der Kette ausmacht. Nicht selten weisen die einzelnen Glieder eine 
gewisse Bezugnahme auf den Träger der Kette auf, wie bei Brautketten, 
wo wir die Wappenbilder der beiden in Verwandtschaft tretenden Fa- 
milien in das Ornament verflochten linden, bei Gnaden- oder Ehren- 
ketten, die durch Embleme oder Initialen auf den Spender Bezug nehmen, 
oder bei Ketten der verschiedenen Orden, Gilden und Gesellschaften, 
welche symbolische Anspielungen aufweisen. 
Mit den Ketten steht nun ein weiterer Schmuck in Verbindung, 
welcher im 16. Jahrhundert die höchste Ausbildung erfuhr, der soge- 
nannte Anhänger. Namentlich bei diesen Objecten entfaltet sich das 
ganze Können der Goldschmiede, die reiche künstlerische Phantasie der 
Zeit und die subtilste, bewunderungswürdigste Technik. Besonders feiert 
hier die Emailarbeit ihre höchsten Triumphe. Sie wird dazu benützt, die 
einzelnen "Ornamente durch. verschiedene Farbengebung auseinander zu 
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