Mielhhausern jede Wohnung eine vordere und rückwärtige Stiege, und jedes Zimmer,
mit Ausnahme des Speisezinimers einen eigenen Ncbenausgang, der in einen allerdings
oft dunlteln Verbindungsgang mündet.
Einen theilweisen Ersatz für das Einzelwohnhaus hat Wien in seinen Villen in
den Thälern des Kahlenberges und des] Wienerwaldes, für welche nicht selten_ die ori-
ginellen Bauweisen unserer Gebirgsbeivohner Motive abgegeben haben. Die Cottage-
Anlagen dagegen sind nur ein vereinzeltes Beispiel dafür, in welchem Sinne die Stadt-
erweiterung an der Peripherie hatte in Angriff genommen werden sollen. Die mannig-
fachen Fehler im Ausbaue des modernen Wien lassen sich alle auf den Mangel eines
großdurchdachten Bebauungsplanes zurückführen. Ein planmaßiges Vorgehen zeigt nur
der Ausbau der Ringstraße, an allen anderen Punkten der Stadt entschied der Zufall
und zwischen den Interessen der Industrie und jenen der Familie mit ihrem wohl-
berechtigten Begehren nach gesunden und angenehmen Wohnungen wird täglich ein
erbitterter Kampf geführt. Fabriken mit ihrem Rauch und Lärm belästigen die Wohn-
statten, diese aber hindern Gewerbe und lndustrie in ihrer freien Entwickelung. Kräfte,
die berufen sind, gemeinsam die Blüthe und das Gedeihen der Stadt zu fordern, reiben
sich auf im Kampfe um ihre Existenz und schädigen sich gegenseitig in Folge des ver-
hangnissvollen lrrthums, dass die Entwickelung dieser Dinge sich dem Eingreifen einer
vorausschauenden Organisation entziehe. Zur Zeit, als man die Stadterweiterung in An-
griff nahm, wäre eine Organisation des Bauwesens und eine entsprechende Theilung in
Handels-, Fabriks-, Wohnquartiere u. s. w. leicht durchführbar gewesen; jetzt, nachdem
viele Millionen von Baucapital an unrechter Stelle und in unerwünschter Art angelegt
sind, ist nur noch eine theilweise Correctur mogliclu, aber auch die nur unter der Vor-
aussetzung, dass man daran geht, das Bauwesen Wiens planmäßig zu ordnen.
Der Vortragende ging sodann auf die Besprechung der bei uns in Uebung stehenden
Stilarten und Bautechniken über, und schloss mit dem Wunsche, es möge der Ausbau
Wiens von großen Gesichtspunkten aus planmäßig organisirt werden.
- Am I7. und zt. Januar las Professor Franz Wickhoff über nZwei Wende-
punkte in RalTaeVs Entwickelungu.
Es handelte sich dem Vortragenden erstens darum, zu bestimmen, wann der
Künstler, welcher als der Hauptreprasentantrder Malerei der Renaissance gilt, mit dem
was man gemeinhin Renaissance nennt, der versuchten Wiedererweckung der antiken
Kunst bekannt wurde. Da Ralfael ferne von dem Mittelpunkte künstlerischer Entwickelung
erzogen wurde, sollte auf die Künstler hingewiesen werden, welche ihm die Prinzipien
eines neuen Stiles übermitteln. Dann aber würde ein zweiter, nicht minder wichtiger
Zeitpunkt der sein, wann Raffael sich reif fühlte, den neuen Stil, den er in sich auf-
genommen, weiter zu entwickeln, gleichsam als Norm aufzustellen, der Generationen von
Künstlern folgen, oder auf die sie immer wieder zurückkommen.
Der erste der beiden Vortrage beschäftigte sich hauptsächlich mit der künst-
lerischen Erziehung Baccio's della Porta. Es wurde ausgeführt, wie er in der Werk-
statt des Cosimo Roselli mit der alten symmetrischen Kunst des Trecento bekannt wurde,
daraus Principien der Composition entnahm, die im Quattrocento wieder in Vergessen-
heit gerathen waren, andererseits, gegenüber dem Naturalismus der zeitgenössischen Maler
seinen Stil durch das Studium der antiken Plastik ausgestaltete. An einer Reihe bisher
nicht beachteter Zeichnungen, deren Nachbildungen ausgestellt waren, wies der Vortragende
eine Periode in Baccio's Jugend nach, wo er sowohl nach der antiken Sculptur zeichnete,
als auch Erfindungen nach antiken Stoßen versuchte. Ein solcher Compositionsentwurf
zu den Amores des Philostratus wurde des Genaueren untersucht; was von dieser
Jugendübung in seine spateren religiösen Bilder überging, hierauf festgestellt. Auf ein
paralleles Verhaltniss des gleichalterigen Michelangelo zur Antike wurde hingewiesen,
dann RaGaeVs Eintritt in Florenz und sein Verhaltniss zu Baccio oder, wie er jetzt
hieß, Fra Bartolomeo von S. Marco, geschildert. Hier wurden wieder jene Zeichnungen,
Compositionsentwürfe und Bilder genauer besprochen, die ein Studium und eine Ein-
wirkung der gleichzeitigen sowohl als der antiken Plastik augenfallig machen,
lm zweiten Vortrage wurde zuerst darauf hingewiesen, wie RalTaePs Malerei in
seinem ersten Cyltlus in Rom in der Stanza della Segnatura inhaltlich noch ganz mit der
symbolisch-didaktischen Richtung zusammenhängt, welche in der Cotnodie ihren gewal-
tigsten Ausdruck gefunden hatte, ia wie dieses Zimmer, besonders das Gemalde des
Parnass, als ein Triumph Dante's bezeichnet werden kann, während formell sich ein
Vorherrschen antiker Motive breit macht, das in solcher Ausdehnung auf keinem früheren
Werke der Renaissance beobachtet werden kann. Nun wurde ausgeführt, wie durch das
Hinzutreten Baldassare Peruzzi's RalfaeVa antiquarische Neigungen Nahrung erhielten.
Peruzzi's Antheil an der Ausmalung des Heliodor-Zimmers, an der Farnesina, an den
Bordüren der Teppiche wird nachgewiesen, und die Häufung antiker Elemente in allen
diesen Arbeiten hervorgehoben, endlich die Meinung ausgesprochen, Baldassare sei es