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Die künstlerischen Eigenschaften des Glases, so weit sie ihm allein
eigen sind, beruhen in seiner Durchsichtigkeit und in seiner vom durch-
fallenden Licht erhöhten Farbenpracht; daneben steht die Schmiegsamkeit
und Fügsamkeit zu den feinst profilirten Formen. Das Glas opak behan-
deln wollen, wie es vor dieser Epoche der Reform geschah und auch
heute noch allzu viel geschieht, ist immer ein Fehler, denn es macht das
Glas stumpf und wirkungslos. Die Reform in der künstlerischen Glas-
industrie, wie sie Lobmeyr bei uns einleitete - wir sagen bei uns, denn
die Engländer waren schon auf diesem Wege - ging daher vom wasser-
hellen Krystallglase aus. Es handelte sich darum, demselben schöne
Formen zu geben und diese Formen mit den entsprechenden Ornamenten
in gravirter Arbeit zu verzieren. Woher aber die Motive, die Vorbilder
nehmen, da Sammlungen älterer Arbeiten nicht vorhanden waren und
ebensowenig in den Fabriken sich Künstler fanden, welche sie ent-
werfen konnten, oder Hände, sie auszuführen? Für die Zeichnungen
mussten Architekten -mit mehr oder weniger Glück-zu Hilfe gerufen
werden, die Hände mussten sich an dem Werke selber bilden, und die
Vorbilder fanden sich auch, und zwar in den echten Krystallgefäßen der
kaiserl. Schatzkammer, welche das Oesterr. Museum nach und nach zur
Ausstellung brachte. In der That ist von ihnen die Reform der Glas-
industrie ausgegangen.
Und was ist nun heute aus diesen ersten Anfängen geworden?
Mittlerweile entstanden die Kunstgewerbeschule, die Fachschulen, Köpfe
und Hände wurden gebildet, und nun zeigt uns die Ausstellung Lob-
meyr's, nicht vereinzelt, sondern in Hülle und Fülle, in dieser weitaus
schönsten Art der Glaskünste große und kleine Gegenstände, welche Alles
hinter sich lassen, was je in dieser Art im 17. und 18. Jahrhundert in
Böhmen, in Frankreich, in den Niederlanden, in England gemacht worden,
und nur in den echten Krystallgefäßen der Renaissancezeit finden sie
ihr Seitenstück. Diese Arbeiten bilden eine der schönsten und edelsten
Früchte, welche die Geschmacksreform unserer Epoche hervorgerufen
und gezeitigt hat. Und wie richtig der Vorgang war, zeigt der Um-
stand, dass alle Glasfabriken, welche für Tisch und Tafel arbeiten, den
gleichen Weg zu betreten gezwungen waren, wenn auch bisher keine die
gleiche Höhe erreicht hat.
Aber das wasserhelle Krystallglas ist ja nur die eine Art; viel
dringender noch verlangte das gefärbte Glas, das so große Bedeutung
für den österreichischen Export hat, nach der Reform. Auch war es ja
möglich, dem Krystallglase noch eine farbige Verzierung zu Theil werden
zu lassen, ohne der Transparenz Eintrag zu thun. Nach beiden Rich-
tungen hin machte Lobmeyr unausgesetzt neue Versuche, und zu welchen
Resultaten diese Versuche geführt haben, davon gibt der Reichthum der
Ideen, die Mannigfaltigkeit der Farben, Formen und Verzierungen auf
der gegenwärtigen Ausstellung ein überraschend großartiges Bild. Wir
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