ülö
Farnesina gestattete sich der Decorator nicht die geringste Reduction der
wesentlich baulichen Gliederungen; er nahm nur die möglichst subtile,
verfeinernd zarte Behandlung derselben als sein gutes Decorationsrecht
in Anspruch. Auch bei der äußersten Verkleinerung bewahrt eine jede
der Gliederungen ihren vollen architektonischen Formenwerth.
Das Tabernakel wird an dieser Stelle zu einer förmlichen Aedicula,
und dies durch die volle Entwickelung des Giebels. Trotzdem ist der
Architektureindruck der Giebelform lediglich aus ornamentalen Mitteln
bestritten. Pantherartige Fabelthiere an den Ecken, an deren Rücken sich
Putten mit Thyrsusstäben hinlehnen, bilden die Seiten-Akroterien. Die
Schweife jener Thiere verwandeln sich dann direct in die schrägen Giebel-
Schenkel, welche die Form von cannelirten Stengeln annehmen. Zu oberst
bilden sich die letzteren abermals um und gehen in ein beiderseits sich
ausschwingendes, ornamentales Geranke über, das die Stelle der Giebel-
blume vertritt; in der schneidigen Gegenbewegung der Ranken kündigt
sich ein echt hellenistischer Rhythmus an. Eine bekleidete Frauengestalt,
nur auf eine Thierklaue gestellt, überschwebt zuletzt mit ausgebreiteten
Schwingen den Wipfel des bekrönenden Ornaments.
Die Gesimse der rothen Wandspiegel gehen in der bekannten Weise
hinter den Säulen des Aedicula hin, als ein lichtes Band sich durch-
ziehend, und tragen da ein mit Ornarnentspitzen besetztes Bogen-
segment als inneren Rahmenabschluss des Mittelbildes. Dieses -
unter den Wandgemälden des Farnesina-Hauses eines der schönsten -
stellt die Pflege des Bacchuskindes dar. (Vergl. vol. XII. tav.XX.) Rechts
auf einem Felsblock sitzt die Pflegerin, mit liebender Sorgfalt sich zu
dem kleinen Gotte auf ihrem Schoße neigend; sie scheint den Kranz
von Weinlaub auf seinem Köpfchen zu richten. Nebenan lehnt an der
Mauer der Thyrsusstab. Zwei Frauen in schön drapirten Gewändern
stehen nach rückwärts an einem Thore und sehen mit Antheil zu.
An den Wandsockeln zu beiden Seiten erscheinen abermals jene
halbrunden, korbartigen Ausladungen, wie an der Schmalseite
von Zimmer 4 (vergl. oben Fig. 2), mit ähnlicher, nur ein wenig variirter
Blätterbekleidung und darauf wieder über Thierklauen geflügelte weibliche
Gestalten als Bild träger. Beide Bildungen, die abgerundeten Postamente
und die Tragefiguren gehören zu den ornamentalen wLeitmotivenu des
Farnesinischen Hauses; die letzteren treten aber hier in einer auffälligen
Variante auf. An der Wand von Nr. 4 sind es noch richtige Metallgebilde;
über der Thierklaue der Ansatz einer Candelaberform, darauf (durch
Schnörkel vermittelt) erst die Tragefigürchen, die mit emporgehobenen
Händen, zunächst aber mit dem schneidigen Rand ihrer Bronzedügel die
Bildrahmen stützen. An der Wand, die wir jetzt betrachten, stehen die
weiblichen Figuren - bis zum Gürtel bekleidet - unmittelbar auf der
Pranke, und tragen mit den weit ausgestreckten Armen, nicht mit
den Flügeln. Sie sind nicht mehr so bronzemäßig aufgefasst, und Ge-