4 Umvnl Kyukacrl (1s12-1eo1),
Plünderung e
den heutigen Forderungen umgekehrt sein
miißte: die Individualität des Kunstwerkes
habe zu dominieren. Merkwürdigerweise stellt
sich aber heraus, daß der unbefangene und un-
voreingenommene Betrachter dieser Galerie sich
angenehm berührt dem Reichtum und der Fülle
überläßt und sich zu keinen Prinzip- und
Grundsatzerklärungen gedrängt fühlt. Offen-
kundig ist der Begriff des Reichtums, des Über-
flusses, der ja zunächst ein außersachlidaer, ein
nicht ästhetischer ist, in diesem Zusammenhang
so eng mit dem Begriff des Kunstwerkes ver-
bunden - und zwar über den Begriff „Kost-
barkeit" als Mittler -, daß beide zusammen-
fließen und bruchlos ineinander übergehen. Da-
her die Zustimmung des Publikums.
Freilich kann man dieses Experiment eines
historisierenden Arrangements von Bildern nur
in nicht zu hohen Räumen, wie eben denjenigen
der Sekundärgalerie, madien: Hier kann man
noch die Bilder der obersten Reihe sehen, so wie
es eben auch in barocken Privatgalerien der
Fall war. Überdies ist nur in nicht allzu großen
und zu hohen Räumen die erforderlidie Span-
nung zwischen dem Betrachter und den ihn
umgebenden Bilderwanden wirksam, nur dann
können die Kräfte, die von den Wänden aus-
gehen, den Betradater erfassen, in ihren Bereich
einbeziehen. In allzu hohen, weitläufigen Sälen
hingegen wäre die Soannung. das Gleichgewicht
behängten Wänden nicht mehr aufrechtzuerhal-
ten. Die Masse würde als erdriickend empfun-
den werden. Daß man trotzdem bis zum ersten
Weltkrieg nicht nur in den riesigen Sälen des
Kunsthistorischen Museums so gehängt hat, son-
dern auch in den anderen großen europäischen
Galerien, wie z. B. im Louvre oder in der
Pinakothek, kann nicht nur daraus erklärt wer-
den, daß man eben die traditionelle Form der
Hängung gedankenlos vom 18. Jahrhundert
übernommen hat. Es steckt ClOCh wohl mehr da-
hinter. So hatte z. B. sicher der MEDSCh des
19. Jahrhunderts oder genauer gesagt der Bür-
ger, der ja dieses Jahrhundert getragen hat, ein
noch ungebrochenes und weitaus intensiveres
Verhältnis zur Kunst, als man es heute hat.
Diese Haltung ließ ihn die Art der Darbietung
von Kunstobjekten als sekundär ersdieinen.
Damit eng im Zusammenhang steht noch ein
anderer Sadiverhalt. Bei einer monardiischen
Regierungsordnung ist der Monarch Inhaber der
Kunstschätze, die er und seine Vorfahren seit
Generationen gesammelt hatten. Seine Galerie
ist seine Privatgalerie, die er allerdings - als
Folge der Aufklärung - eines Tages dem
Publikum zugänglidi machen wird. In Wien war
das 1782 der Fall. Was aber die Art der Dar-
bietung der Kunstobjekte betrifft, und im be-
sonderen der Gemälde, so ergab sie sich trotz-
dem immer noch aus ihrer Beziehung zum In-