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bildete die Landschaft immer reicher und reicher aus, das Studium der Perspective findet
allmalig seine Pflege und endlich seine volle Ausbildung in dem Tractat über Malerei
von Lionardo da Vinci, womit auch gleichzeitig die vollste Kenntniiis des Wesens der
Landschaft zu Tage tritt. Hervorragend coloristisch wirken die venezianischen Meister,
an der Spitze Giorgione und Tizian; sie erscheinen in ihrer landschaftlichen Auffassung
gefördert namentlich durch die Nahe der wechselvollen Erscheinungen von Meer, Ebene
und Hochgebirg, ivahrend gleichzeitig durch die ganze italienische Landschaftsmalerei
ein stilistischer Zug geht, welcher seine Begründung vornehmlich in dem großzügigen,
überhaupt vornehmen Ausdruck der Formen und Farben dieser Natur findet, Die Caracci-
und Dominichintfschen Landschaften dürften wohl als die ersten Bilder zu bezeichnen
sein, in welchen die landschaftliche Darstellung als die Hauptsache erscheint. Claude
Lorrain und die Poussins führen die italienische Landschaftsmalerei auf den Gipfel-
punkt ihrer Bedeutung, wonach auch dieselbe fur lange Zeit die Führerin einer freilich
sich auch endlich verbrauchenden Geschmacksrichtung wurde.
Auf eine so frühzeitig erfolgende, selbständige Entwickelung und Vollendung der
Landschaftsmalerei wie in den Niederlanden und später auch in Italien kann in Deutsch-
land nicht hingewiesen werden. Bei Dürer, Cranach, Altdorfer u. A. erscheint die Land-
schaft wohl schon in kaum geringerer Bedeutung als bei den van Eycks, doch aber
bleibt sie fast durchaus an den Hintergrund gebunden; man kann sagen, erst Elsheimer
schuf eine Reihe von landschaftlichen Darstellungen, in denen der ügurale Vorgang zur
Stalfage herabgedrückt erscheint, wodurch die Landschaft zum selbständigen Bildobjectc
wird. Aber auch dann gelangt die Landschaftsmalerei in der deutschen Kunst nicht zu
derjenigen Selbständigkeit und künstlerischen Erscheinung wie in Holland, in den Nieder-
landen und Italien, sie halt sich im ganzen I7. und 18. Jahrhundert: an fremde Typen
und gelangt, wie in Frankreich, erst in unserem Jahrhundert zu wahrhaft eigenartiger,
nationaler Bedeutung. Für die Entwickelung der modernen deutschen Landschafts-
malerei war daher vor Allem J. A. Koch als bahnbrechend zu betrachten, indem er sich
bestrebte, der abgeleierten Herkömmlichkeit durch frische und gesunde Naturanschauung
zu begegnen. ln Wien weisen Rebell, Steinfeld und Euder, aber auch der daselbsi
schaffende Radirer Erhart auf den zu betretenden Pfad einer naturgesunden Kunstrichtung.
Die vormarzliche Kunstepoche Wiens wird zu einer hochinteressanten und werthvollen
Erscheinung reizvollster lntimitat. Gauermann, H0_ger, Feid, Hansch, Waldmüller, Fendi,
Alt, Holzer, Selleny, Marko u. s. w. sind Namen, denen heute noch die volle Geltung
gebührt. In München entsteht, namentlich gefordert durch den kunstfreudigen Monarchen
Ludwig l. in den ersten Decennien bis über die Mitte unseres Jahrhunderts eine viel-
seitige Landschaftsmalerei in machtvoller Bedeutung, desgleichen in Düsseldorf, woselbst
die Hauptmeister Schirmer, Lessing, die Achenbach's u. s. w. die Landschaftsmalerei der
Gegenwart nicht nur bei wahrhaft großartiger Naturauffassung, sondern auch in vordem
nie gesehener Entwickelung erschlossen haben.
Frankreichs grüßte Bedeutung auf dem Gebiete der Landschaftsmalerei fallt ebenv
falls in die neueste Zeit. Die altere Richtung war durchaus von den Poussin's und Claude
Lorrain abhangig, während in der Zeit der Watteau, Boucher, Fregonard u. s. w. die
Landschaft doch nur als gefällige Decoration für die damals beliebten Schaferscenen und
üppigen Gesellschaftsstücke betrachtet werden kann. Um so bedeutungsvollen Pflege
findet die Landschaftsmalerei in Paris im tg. Jahrhundert; es sind wahrhaft bahnbrechende
Erscheinungen zu verzeichnen, welche theils auf dem Gebiete des fein erwogenen Natu-
ralismus oder in romantischer Richtung bisher zu Tage getreten sind.
- Am 7. Februar hielt Hofrath Professor Dr. Hermann Zscholtlte einen Vortrag
über rDie Ruinen von Baalbekt.
Der Vortragende beginnt mit der Schilderung des Gebirgszuges des Libanon, der
das, was ihm an Reichthum der Formen gebricht, durch die Mannigfaltigkeit seiner
Farben ersetzt, da von seinem Fuße bis zum schneebedeckten Kamine beständig die vier
Jahreszeiten vertreten sind. Die größte Abwechslung bieten die verschiedenen pflanzen-
geographischen Zonen. Daran reiht sich eine geologische Schilderung des Libanon, der
durch tiefe enge Thalschluchten sich auszeichnet. Besonders ragt hierin die Thalschlucht
des Nahr el-Kadischa (des heil. Flusses) hervor, welche zumeist von Maroniten bevölkert
ist. Der Vortragende führt uns von ßatrun über Ehden zu dem Cedernhaine, der nur
mehr sieben uralte Cedernbaume enthält, deren größter einen Umfang von t4'], Meier
hat. Ueber die Passhohe Dahar el Kadib, 26m 'Meter hoch, führt der Weg über den
Libanon hinab in die Thalfarche EI Beltaa (Coelesyrien), die Igoo-noo Meter tief
zwischen dem Libanon und Aniilibanon sich einsenkt, zwei Stunden breit ist und als
Weideplatz dient. An der Ostseite derselben liegt das Stadtchen Baalbek mit den Ruinen.
Baalbek war der Sitz eines dem Sonnengotte Baal gewidmeten Heiligthurnes, welches
in der Zeit, als die Karawanenstraße der Phonizier in die Euphrailantler die Ebene Coele-
syrien durchzog, den religiösen Mittelpunkt bildete. Nach der Sage soll Saloinon das