Vllener Textilindustrie im XVlll. Jahrhundert.
Zum Thell als Nachtrag zu meinem in Nr. 150 gebrachten Artikel:
xFrauenarbeit im XVlII. Jahrhunderte, zum Theil aber mit dem erweiterten
Gesichtspunkt auf die Textilindustrie des alten Wien im Allgemeinen
liefere ich hier noch einige Notizen verwandten Inhaltes. Der Norddeutsche,
Johann Basilius Küchelbecker, welcher 1730 seine nAllerneueste Nachricht
vom Römisch-Kayserlichen- Hofe nebst einer ausführlichen Beschreibung der
Kays. Residenz-Stadt Wien und der umliegenden Oerterl, in Hannover
herausgegeben, berichtet bei Besprechung der Industriethätigkeit in Wien
die Strumptffabrique am Spitelberg, welche gewirkte Seidenstrürnpfe von
grosser Güte und Feinheit sehr wolfeil erzeugte. Ein gewisser Schweizzer
gründete v-vor wenig Jahrenu eine Fabrik für Gallons und Silberborten,
doch schildert sie der Verfasser als grob und im Lüstre nicht einmal die
Leipziger, geschweige die französischen erreichend. Im Ganzen bezog die
feinere Gesellschaft damals das Meiste aus dem Auslande, besonders Spitzen,
Sammt, goldbrochirte und seidene Zeuge, für gewöhnliche Wollzeuge, Lein-
wand, Strümpfe, Hüte, Handschuhe, Borten etc. seien aber bei dreihundert
Kramladen in der Stadt in Betrieb gestanden. Mehrere einheimische Seiden-
fabriken wären jedoch bereits in der Imitation sehr weit gelangt, vor-
nehmlich diejenige des Herrn Mathias I-Iengsperger am Neubau, welche
auch mit Gold und Silber brochirte Stolfe erzeugte, die Sickingefsche
am Tabor, wo man feinste Seidenzeuge machte, die, gleichwie die in Wien
erzeugte Nachahmung holländischen Tuches dem ausländischen ganz gleich-
kamen.
Früher als Küchelbecker berichtet Antonio Bormastino, Edelknaben-
Sprachmeister am kaiserl. Hofe, welcher x7i5 als Conversationsbuch der
italienischen und deutschen Sprache seine Relazione storica della citta
imperiale di Vienna etc. herausgegeben. Er gedenkt der Vorliebe für schöne
Kleider, welche man selbst bei gemeinen Leuten in Wien antrelfe, wes-.
halb auch mehr als sechszig Händler von Gold- und Silber-Stuck (Stoß)
aus allen Ländern am Platze seien. Die Borten und Gallonen werden auch
hier gelobt, namentlich hätten die Livreen der Dentschherren sich durch
schöne Arbeit dieser Art ausgezeichnet. Die Strumpfmacher in Wien habe
er jedoch niemals rühmen hören.
Im Jahre 1770 ferner erschien P. Mathias Fuhrmann's Historische
Beschreibung der Residenzstadt Wien. Das Werk erwähnt eine Fabrik baum-
wollener Blumen auf der Lorenzer-Bastei beim Mohren, eine andere am
Neustift, welche Blonden, Manchetten verfertigte und eine Schule für Mädchen,
welche sich diesem Erwerbszweige widmeten, daneben hielt. Cottons und
Zitz wurde von mehreren Fabriken gemacht. In der Vorstadt Margarethen
bestand eine Leonische Drahtzugfabrik, welche vergoldete und unvergoldete,
auch versilberte Drähte, deutsch-französischen und türkischen Plasch,
ganz und halbe Silbergament, vergoldete Tressen, Borten, Spitzen mit und