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Vorlesungen In Museum.
Wir bringen im Folgenden als Schluss unserer Referate über die Donnerstagvorträge
jenes über 'den Cyclus von vier Vorlesungen, welche Custos Dr. Janitschek im Decbr.
vor. und März l. J. gehalten hat. Derselbe versuchte es mit Glück, die intimeren Beziehungen
zwischen der Gesellschaft der Renaissance in Italien und dem Kunstwerk jener Zeit nach-
zuweisen. Der erste Vortrag handelte über die geistigen Strömungen jener Zeit. Das
Wesen des Humanismus ward in aller Kürze charakterisirt, dann aber ausführlich das
Verhaltniss desselben zu den bedeutendsten religiösen, socialen und politischen Fragen
jener Zeit besprochen. Der Vortragende wies hier zwei Hauptrichtungen nach: Die radical
sntikisirende und die zwischen Christenthum und Paganismus vermittelnde - ihnen beiden
steht gegenüber die ascetisch-christliche. Er schilderte die heftigen Kämpfe der beiden
ersteren, bis schliesslich der Platonismus zum einigenden Bande beider wurde, um dann
gemeinsam gegen die dritte Richtung Front zu machen. Im weiteren Verlaufe wurde
dann gezeigt, wie jede dieser geistigen Richtungen unter den Künstlern jener Zeit ihre
Vertreter fand - wobei als deren letzte und grosste Repräsentanten Leonardo, Rafael
und Michel Angele charakterisirt wurden.
Hatte Dr. Janitschek im ersten Vortrage den geistigen Boden gekennzeichnet,
auf welchem der Kunst-Geniessende und der Künstlerisch-schüpferische jener Zeit steht.
so war nun der zweite Vortrag ausschliesslich dem Künstler gewidmet. Ein bisher noch
nicht behandeltes Thema hatte sich hier der Vortragende gestellt: eine Charakteristik
der künstlerischen Phantasie jener Zeit, d. h. wie in derselben die Natur sich spiegelte
und wie dieselbe auf die Weltereignisse reagirte. - Unter den vorgebrachten Details waren
hier die wichtigsten die Angabe der Ursachen, warum in Italien der Todtentanz durch
den Trionfo della Morte sich ersetzt findet, dann die Bedeutung der Landschaft im Kunst-
werk jener Zeit, das Verhaltniss des Künstlers zu den StolTen, die Stellung der Allegorie
in der Kunst jener Zeit u. s. w. - Der zweite Theil des Vortrages behandelte die künst-
lerische Erziehung , wobei es sich der Vortragende angelegen sein liess, nachzuweisen,
wie das Studium der Antike mit der Absicht der Nachahmung die Kunst des Trecento
charakterisirt, wo hingegen die Kunst des Quattrocento im Geiste der Antike sich ganz
dem Studium der Natur hingibt. Es wurden dann die Lehrverhältnisse besprochen, die
Stellung des Lehrlings in der Werkstatt, sein Verhältniss zum Gehilfen, zum Meister,
die Zahl der Lehrjahre u. s. w,
Die beiden folgenden Vorträge handelten über das Verhaltniss, in dem die Gesell-
schaft zum Kunstwerke stand. lm Besonderen besprach der dritte Vortrag die Bedeutung
der Frauen jener Zeit für die Kunst und das Mazenatenthum der Privaten. - In Kürze
gab der Vortragende einen Abriss der Geschichte der geistigen und socialen Emancipation
der Frauen jener Zeit, eine Charakteristik der Stellung derselben in der Gesellschaft, um
dann nachzuweisen, in welcher Weise sie fördernd auf Gehalt und Form des Kunst-
werkes wirken konnten und mussten.
Der zweite Theil behandelte das Privatmäzenatenthum; im Gegensatze zum
Dcvotionsbedürfniss des Mittelalters weist hier der Vortragende als Motoren nach: Das
ästhetische Bedürfniss und das Ruhmesbedürfniss. Unter den Mazenaten jener Zeit erfahren
namentlich die des julischen und leonischen Rom, des medizeischen Florenz und die grossen
Mazenaten Venedig's zu Anfang des 16. Jahrh. ausführliche Besprechung.
Der vierte und letzte Vortrag handelte über die Stellung, welche die Gesellschaft
in ihrer Form als Staat zur Kunst nahm. - Der Vortragende zeigte, dass die Kunst nur
in ihren einzelnen Werken vom Staat Berücksichtigung erfuhr. Derselbe gründet weder
Akademien, noch gewahrt er den Künstlern als Corporation besondere Rechte. - Dieser
Punkt führte den Vortragenden zu einer kurzen Darlegung des geschichtlichen Materials
über die Kunst-Akademien und über die Bedeutung von Zunft und Confraternität im
politischen und Kunstleben jener Zeit. - Die Statute der Confraternitaten von Cremona,
Padua, Florenz und Siena dienten dabei als Grundlage der Analyse. Wenn das Interesse
des Staates sich meist nur dem einzelnen vollendeten Werke zuwendet, so ist damit
auch die Wichtigkeit der Persönlichkeit des Herrschers oder des Staatsrepräsentanten
ausgesprochen. - So charakterisirte der Vortragende einzeln die Gesichtspunkte, von
welchen aus die Signorien, der Gewaltherr, das Papstthum ihr Mazenatenthum übten.
Der Umfang und die Kritik des Quellenmaterials, welches Dr. Janitschek für
seine Vortrage heranzog, bewies, dass er während seines vierjährigen Aufenthaltes in
Italien dieser Geschichtsperiode seine ganz besondere Vorliebe zugewendet hat.