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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIII (1878 / 156)

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finden, aber man verkennt vollkommen die Lage der Dinge und das Ziel 
der Aufgabe. 
Man stützt sich auch hier wiederum auf den österreichischen Vor- 
gang. Man hndet in den österreichischen Arbeiten vorwiegend den Cha- 
rakter der italienischen Renaissance und glaubt nun für Deutschland die 
sogenannte deutsche Renaissance fordern zu müssen und mit ihr der vater- 
ländischen Kunstindustrie einen eigenen Vaterländischen Kunststyl schaffen 
zu können. Der lrrthum ist doppelt und dreifach. 
Es ist zwar etwas Wahres daran, dass die Werke der österreichischen 
Kunstindustrie, die auf den Ausstellungen die Augen auf sich gezogen, 
wenn nicht gerade vorwiegend, doch vielfach italienische Art gezeigt haben. 
Der Grund dafür liegt aber wiederum durchaus nicht in der Absicht, son- 
dern einerseits in der Bildung und Richtung der leitenden Künstler, 
andererseits in dem Umstande, dass die italienische Renaissance weit mehr 
Originalität, weit mehr Reichthum der Motive besitzt und dem Künstler 
weitaus grössere Freiheit lässt als die abgeleitete und beschränktere 
deutsche Renaissance. Es ist weder diese letztere noch irgend eine andere 
Art ausgeschlossen, es sei denn durch ihre Widersinnigkeit, Unbrauchbar- 
keit oder Unschönheit. 
Aber der Hauptirrthum steckt nicht darin, sondern in der Sache 
selbst. Es ist bereits erwähnt worden, dass die Renaissance, so weit wir 
sie auch fassen mögen, unzulänglich ist, für alle künstlerischen Bedürfnisse 
in Decoration, Geräth und Schmuck die Vorbilder zu liefern. Das ganze 
Geschirr z. B. für den Thee- und Katfeetisch ist ihr völlig unbekannt und 
steht noch heute ihren Formen gänzlich ferne. Wir würden uns ferner 
einer Fülle von Schönheit berauben, wir würden anderen lebendigen 
Quellen zahlloser, nicht minder glücklicher Motive entsagen müssen, wollten 
wir uns einzig und allein an die Renaissance binden. Gilt dies aber für 
diesen Styl selbst in seiner grössten Weite, um wie viel mehr für einen 
Theil desselben, der, so viel Schönes er auch geleistet hat, so viel Gutes 
noch heute von ihm erhalten ist, so viel Gutes, das die ähnlichen Arbeiten 
des neunzehnten Jahrhunderts weitaus in Schatten stellt, doch immer nur 
eine Variante des Kunstgeschmackes seiner Zeit bildet und an Reichthum 
und Grösse sich mit den Leistungen der ganzen Kunstepoche, die wir 
Renaissance nennen, gar nicht vergleichen lässt. Und die Sache steht 
noch viel schlimmer, wenn man die Formen und Vorbilder ansieht, welche 
sich die'Vorkämpfer für die deutsche Renaissance auserwählen. Es sind 
die schweren und plumpen Formen der Spätrenaissance, die verzopften, 
manierirten Erfindungen Dietterlin's und ähnlicher Leute. Wenn das der 
deutsclle Styl der Zukunft sein soll, ist er nur sich, nicht aber der Welt 
gefährlich. Mit der deutschen Renaissance. mit ihr allein, wie es heute 
sein ll, wirft man also die Fülle und die Freiheit von sich und wählt 
freiw'lig Armuth und Beschränktheit, selbst Unschönheit.
	        
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