über eine halbe Million Gulden verausgabt worden und hatte man die
Sammlungen durch Erwerbung der umfangreichen l-lanemann'schen
und Minutoli'schen Collectionen, des berühmten Rathssilberzeuges der
Stadt Lüneburg und vieler auf Ausstellungen angekaufter Gegenstände
erweitert. Im Jahre 1874 trat das Gewerbemuseum mit einem Schlage in
die erste Reihe ähnlicher Institute Europa's ein, indem man ihm sämmt-
liche kunstgewerblichen Theile der königlichen Kunstkammer zu-
wies, und so durch Einverleibung eines Schatzes mustergiltiger, kostbarer
und seltener Werke, als Majoliken, Holzschnitzereien, Gläser, Emaillen,
Schmiedearbeiten etc., dessen Sammlungen zu einem um so höheren Range
erhob, als bei früheren Ankäufen des Museums der Vorrath der könig-
lichen Kunstkammer an kunstgewerblichen Arbeiten bereits berücksichtigt
worden war. So zeichnete sich nach erfolgter Ergänzung und nach mu-
nificenter Vermehrung der Bibliothek das Gewerbemuseum durch Voll-
ständigkeit nicht minder als durch Reichthum vor den meisten anderen
Anstalten des Continents aus.
Während in solcher Weise schon damals die Tendenz hervortrat,
die organisatorischen Leistungen anderer Länder wo möglich zu überbieten,
zeigte sich in Berlin zugleich das Streben, anderwärts Bewährtes sich
gleichfalls zu Nutze zu machen. So wurden Wanderausstellungen,
wie sie das österreichische Museum für Kunst und Industrie mit gutem
Erfolge unternommen hatte, auch von Berlin aus veranstaltet, so wurden
von der Formerei des Museums Gypsabgüsse an andere Sammlungen
und Schulen abgegeben und zu gleichem Zwecke Photographien muster-
giltiger Werke aufgenommen. Die Unterrichtsanstalt des Museums - von
der Wiener Kunstgewerbeschule verwandter Organisation - ertheilte
Unterricht in 13 Lehrfächeru; ihr Lehrkörper zählte 15 Mitglieder und es
befanden sich unter diesen einige hervorragende Künstler.
In Beachtung der anderwärts gewonnenen Erfahrungen sah aber
die Leitung des Museums ihren Beruf nicht allein in der Pflege des
eigenen Instituts. Sie strebte vielmehr über dessen Schwelle hinaus. Sie
suchte dasselbe hiedurch zu einer eigentlichen Centralanstalt zu erheben
und erklärte es als ihre Aufgabe, durch Begründung gewerblicher Zeichen-
schulen in den Provinzstädten und Einrichtung derselben als Filialanstalten
der Museumsschule letzterer das ausreichende Materiale an entsprechend
vorbereiteten Schülern aus allen Theilen des Landes zuzuführen, und so
ein systematisch geplantes, den gesammten Staat umfassendes Unterrichts-
gebäude aufzuführen. Bei diesen Bestrebungen musste man natürlich bald
genug zur Einsicht gelangen, dass nur die Regierung eine so grosse
Aufgabe zu lösen im Stande sein würde.
Die Regierung begann ihre Action mit der Regelun g des Zeich en-
unterrichts. Eingeleitet wurde eine solche Regelung vor mehreren Jahren
durch commissarische Berathungen, mit denen genaue Besichtigungen der
Einrichtungen für den Zeichenunterricht in Württemberg und in Hamburg