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Die Entwicklung der Architektur Wiens in den letzten fünfzig Jahren.
(1867), Ist in der bezeichneten Richtung charakteristisch; übrigens das erste Beispiel für die
Fassade eines Privathauses mit Marmorbekleidung und für die Abdeckung des Hofes mit einer
Glaskuppel. Zu bedeutendem Ausdruck kommt dann die individuelle Stilauffassung Hasenauers
in dem Palast des Grafen von Lützow. Fürstlich vornehm zeigt sich ferner sein dekorativer
Geschmack im kaiserlichen Schloß nächst Lainz und nebenher, verschieden abgestuft, in
mehreren Villen. Seine rasche Konzeption für leicht faßliche, repräsentative Baueffekte ließ
ihn als den berufenen Architekten für die Weltausstellungsbauten im Jahre 1873 an die
richtige Stelle treten.
Inzwischen wurde in Wien für den Hauptbedarf in allen Spielarten der Renaissance
fortgebaut. Es ist jedenfalls erfreulich, auf diesem Wege älteren wie jüngeren Architekten zu
begegnen, welche die Renaissance, die sich bei bloß äußerlicher Handhabung leicht zum Aller
weltsstil verflacht, mit persönlichem Zug zu fassen bemüht waren. So hat Andreas Streit
Abb. 5. Rekonstruktionsentwurf für das Burgtor von Th. von Hansen (1861).
die vornehme Hausanlage mit Vorplatz und Flügelbauten (Palais Miller von Aichholz in der
Heugasse) glücklich durchzubilden verstanden. Friedrich Schachner zeigt an den Palais
Nakö, Erlanger, Pranter (jetzt Philipp Haas), Prantsch (jetzt Wittgenstein) in der Allee
gasse u. a. einen entschiedenen Sinn für ruhig haltungsvolle Anordnung des Außenbaues;
daneben können ebenso das Hugo Ernstsche Haus in der Gußhausstraße wie jenes des Herrn
Bratmann in der Richardgasse als, treffliche Beispiele einer intimen Indivualisierung der Wohn-
räume gelten. Otto Hieser, Schüler der Académie des beaux arts in Paris, leider jung ge
storben, wußte seiner Renaissance manche feine Wirkung abzugewinnen: so in dem pikanten
halbrunden Ausbau mit Karyatiden an einem Haus der Gußhausstraße, dann in dem Schlöß
chen des Grafen Harnoncourt im Prater. Ein sehr stattlicher Repräsentationsbau ist der Palast
der deutschen Botschaft in der Metternichgasse von Rumpelmeyer, wie überhaupt dieser
Architekt den vornehm aristokratischen Bautypus bis in die Spätrenaissance hinein mit Ver
ständnis zu erfassen wußte. Das Amtsgebäude als Palast zu charakterisieren, wurde ebenfalls
versucht. So sorgte Wilhelm Doderer mit Erfolg dafür, den Palast des Landes-Generalkom-
mandos von der sonst herkömmlichen Nüchternheit militärischer Staatsbauten zu befreien. Als
ein Vereinspalast in stattlichem Palladiostil präsentiert sich das Doppelhaus des Österreichi
schen Ingenieur- und Architekten-Vereines und des Gewerbe-Vereines in der Eschenbachgasse
von Otto Thienemann (1872).
Erfreulich ist übrigens auch die Wahrnehmung, daß inmitten des Andranges materieller
Tendenzen gerade die Häuser für Geldinstitute einen künstlerischen Charakter zeigen, sich
gleichsam als Paläste der Assoziation architektonisch vornehm präsentieren: so die Verkehrs
bank von Schachner, die vortrefflich disponierte Länderbank von Otto Wagn-er. In der
Bodenkreditanstalt (Teinfaltstraße) hat Emil von Förster den Typus des Rustikapalastes der
florentinischen Frührenaissance mit bestem Erfolg auch in die Reihe unserer historischen
Stilreminiszenzen eingeführt. — Die verbreiterte Kärntnerstraße, fast Haus um Haus gänzlich
modernisiert, gehört jetzt ausschließlich dem Geschäftsverkehr in seiner Hauptströmung an.
Sie ist so recht die Straße der Warenhäuser geworden, von denen jenes der Firma Wahliss
- das sogenannte Porzellanhaus — vom Architekten Korompay, bei einer gewissen klugen