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verbringen, ueluti pecora quae natura prona atque uentri obedientia
finxitß. Der bei weitem grössere Theil der Bevölkerung lebt von dem,
was man im weitesten Sinne des Wortes Landbau, was man im weitesten
Sinne des Wortes Gewerbe nennt, und daher muss die österreichische
Volksschule jene Erziehung der Jugend in's Auge fassen, welche für
diese beiden Hauptstände des Reiches von Nutzen ist, schon deshalb,
weil ja der grösste Theil der männlichen und weiblichen Schuljugend aus
diesen Ständen hervorgeht. Es ist kein Ausfluss von Experimentirlust,
wie mir ein Wiener Correspondent der nAugsburger allgemeinen Zeitungu
verwirft, wenn man sich bestrebt, das der Volksschule zuzuweisen, was
den Bedürfnissen der arbeitenden Gesellschaft entspricht. Es ist nur
Unfähigkeit im Denken und Mangel an Sachkenntniss, wenn über Bestre-
bungen ähnlicher Art in so wegwerfender Weise geurtheilt wird.
Wie die Fertigkeiten als solche in der Schule erlernt und in welcher
Schule sie gelehrt werden müssen, das sind Fragen , die einer reiflichen
Erwägung zu unterziehen wären, wobei nicht blos die Männer der Volksschule
und des Beamtenstandes gehört werden dürfen, sondern auch auf die
Stimmen solcher zu achten ist, die ausserhalb dieser Berufskreise stehen
und an der Sache mitinteressirt sind. Maria Theresia, welche den eigent-
lichen Grundstein zum österreichischen Volksschulwesen gelegt hat, han-
delte sehr richtig, dass sie den Abt Felbiger nach Oesterreich berief,
um die Volksschule zu organisiren, einen Mann, der einen offenen Kopf
und weiten Blick hatte und frei von Standesvdrurtheilen war. So war denn
die Volksschule zur Zeit der Kaiserin Maria Theresia in mehr als einer
Beziehung auch eine gewerbliche Arbeitsschule. Werden die Fertigkeiten
in der Volksschule recht geübt, und zwar in der richtigen Weise, nicht
als Spielerei, nicht als Kunstversuch , sondern gewissermassen als Vor-
schule des gewerblichen Lebens, so wird sich auch, insbesondere bei den
Kunstgewerben der ästhetische Sinn und der Geschmack von selbst her-
anbilden und das künstlerische Capital, das bei den Völkern Oesterreichs
' in so reichern Masse vorhanden ist, erst fruchtbar werden. Aber damit
solches ermöglicht werde, bedarf es tieferer Einsicht in das gesammte Ge-
biet des gewerblichen Unterrichts von Seite unserer Volksschulgesetzgeber
und einer Organisation des gewerblichen Bildungswesens, welche die ein-
heitliche Leitung dieses Unterrichts als ersten Grundsatz anerkennt. Denn
die heutige Zersplitterung in zwei staatliche Ministerien hat dem gewerb-
lichen Unterrichtswesen Oesterreichs bedeutenden Schaden zugefügt.
Wien, im März 1879.
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