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sich mit der Kunst Venedigs und Padua's beschäftigen wollen. Den
Naturalismus und akademischen Classicismus bekämpfte er unermüdlich
in seinen Schriften. Seine technischen Studien machte er an der Paduaner
Universität; er versuchte sich augh als Architekt in der Gothik. Er hat nicht
wenig dazu beigetragen, seinen Landsleuten die Bedeutung der mittel-
alterlichen Architektur und die in dem damaligen Venedig wenig geschätzten
Quatrocentisten (Pellegrino da S. Daniele, Carpaccio, Cima da Coneglianu
u. s. f.) nahe zu legen. Wie hoch und festbegründet das Ansehen E. Selva-
tico's war, zeigte sich in der Zeit der Gründung des Königreichs Italien.
Er wurde in allen wichtigen Kunstangelegenheiten Italiens als Beirath von
der italienischen Regierung beigezogen. In späteren Jahren litt er an einer
hochgradigen Schwäche des Augenlichtes, so dass seine schriftstellerische
Thätigkeit sich auf ein Minimum beschränkte. Er hatte einen lebhaften Geist
und war anregend in der Conversation; aber einer der wenigen Italiener,
welchen ein sonor klingendes Organ versagt ist. In den letzten Jahren
lebte er zurückgezogen in seiner Vaterstadt, welche ihm eine Reihe von
kunsthistorischen Schriften verdankt, darunter zwei eingehende Guida's
(1842 und 1869), herausgegeben in Verbindung mit mehreren Schrift-
stellern Padua's aus Anlass des Congresses der italienischen Gelehrten im
Jahre 1842; die mittelalterlichen Baudenkmale Padua's hat er wiederholt
monographisch behandelt. Keine seiner Mongraphien hat soviel Anerkennung
gefunden, als jene der Capellina degli Scrovegni nell' Arena di Padua (1836).
Mit Mantegna und Squarcione hat er sich wiederholt beschäftigt, mit ersterem
besonders in der Le Monniefschen Ausgabe des Vasari (Bd. V. ed. 1849.
S. 181 -242.) Seine kleinen Schriften sind zweimal gesammelt worden.
(L'Artc nella vita degli artisti, racconti storici. Firenzo Barbera 1870 und
Scritti d'Arte. Ebendaselbst 1859.) Seine anderen zahlreichen Schriften
sind theils kunsthistorischer Natur und vorzüglich Venedig gewidmet,
theils beschäftigen sie sich mit Künstleterziehung und Kunstunterricht. Mit
der im Jahre 1842 erschienenen Schrift nSull educazione del Pittore
storico odierno Italianon trat er den akademischen Traditionen entgegen;
dieselben Tendenzen verfolgt seine Schrift wlntorno alle condizione presenti
delle Arti del Disegno, Venezia 1858.) Von seinen Venedig behandelnden
kunsthistorischen Schriften verdienen besonders hervorgehoben zu werden
seine nStudj sulla architettura in Veneziau (Venedig 1847), sie sind mit
Geist und ästhetischer Kritik geschrieben. Grosse Polemik erregte sein
mit Lazzari dem gelehrten Numismatiker und Vorstand des Museums
Correr herausgegebener Guida artistico e storico a Venezia, Venedig 1872.
Selvatico und Lazzari traten den geschäftsmässig gemachten Guiden
und den auf die Unwissenheit der Fremden speculirenden Guidaschreibern,
welche jede Richtigstellung von Daten als einen unpatriotischen Act be-
trachteten, entgegen. Die Guidenliteratur ist zwar in Ober-Italien nicht so
vernachlässigt, wie in der deutschen Literatur, und auch in der neuen mo-
Idernen italienischen Literatur gibt es gute Guida's (wie der von Mailand von