l-Iandwerksfamilie. Anfangs mögen beschränkende Gesetze mitgeholfen
haben; wir linden hier und da Andeutungen dieser Art, später war es
gewiss nicht mehr nöthig. Nicht leicht wird sich Jemand dem entziehen,
was den Kern seiner Existenz bildet, wohin ihn die Arbeit von Genera-
tionen stellt. Diese Einseitigkeit von Haus aus, die das technische Ver-
mögen auf's Aeusserste steigert, freilich auch das geistige Element, die
Freiheit der Anschauung bornirt, ist das Lebensprincip der Kunstindustrie
Japans. Selbst die Malkunst wird zum Handwerk im, eigentlichen Sinne
des Wortes, das künstlerische Bewusstsein zum lnstinct der Hand.
Die erste Notiz über diese Industrie, aber noch nicht ihre äusserste
Grenze, findet sich in einem japanesischen Geschichtsbuche aus dem Jahre
180 vor unserer Zeitrechnung, in welchem von Lackmöbeln die Rede ist.
Aus dem dritten Jahrhundert n. Chr. sollen Gebetbuchschachteln datiren,
die noch gegenwärtig im Tempel von Todaiji in Nara verwahrt werden.
Ein Buch aus dem Jahre 380, Engishiki betitelt, erwähnt schon rothe und
Goldlacke. Ausser diesen führt ein Werk des folgenden Jahrhunderts,
Utsubo Monogatari, noch orangegelbe, mit Goldplättchen bestreute Lack-
arbeiten an, die unter dem Namen Nashiii berühmt waren. Und wenig
später, im Jahre 480, spricht eine bücherschreibende Japanesin auch bereits
von der neuen Erhndung der Perlrnutterincrustation. Damit hätten wir,
zu so früher Zeit schon, den ganzen Apparat beisammen, auf den im
wesentlichen noch heute die Lackdecoration sich beschränkt.
Nach einem längeren Stillstand während des kriegsreichen siebenten
und achten Jahrhunderts nimmt die Production von 910 an einen qualitativ
und quantitativ gleich bedeutenden Aufschwung. Die Lackarbeiten dieser
Zeit bis gegen die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts tragen den Namen
Jidai mono und sind besonders geschätzt. Der Export, bis 1859 allein in
den Händen der Holländer, war höchst unbedeutend. Erst mit der Oetinung
des Hafens von Yokohama gewinnt er grossartige Verhältnisse, erschüttert
aber zugleich, durch das stets wachsende europäische Bediirfniss, die bisher
unwandelbare Solidität der Production. Neuerdings nimmt sich die Regie-
rung der gesunkenen Industrie an und es sollen die modernen Arbeiten
schon die besten alten an Schönheit übertrelien. Die vorzüglichsten Lacke
werden in den Städten Tokio, Kioto und Osoka erzeugt.
Die technologischen Ausführungen fügen im Ganzen nichts Neues
zu dem schon Bekannten. Einige kleine Abweichungen und Ergänzungen
seien in Kürze erwähnt. Der reine Firniss heisst Kuro me urushi, wird
als solcher aber nicht verwendet. Er verändert seinen Namen je nach der
Beimischung von pulverisirtem Schleifstein, Oel, Zinnober, rothem Eisen-
oxyd, Auripigment, lndigo etc.
Die Anwendung dieser verschiedenen Firnissarten, verbunden mit
der wechselnden Zahl der aufgetragenen Schichten und der mehr oder
weniger sorgfältigen Politur, bestimmt die Unterschiede der mannigfaltigen
Lackarten. Es werden ihrer zwölf aufgeführt. Die kostbarste und sorg-