292
zu erziehen. Für die Erwerbung technischer Fertigkeit bleibt daneben
keine Zeit übrig. Es ist aber Sache der Erfahrung, dass dem Knaben die
Ausübung solcher Fertigkeiten Vergnügen macht, dass er sich, so zu
sagen, spielend Geschicklichkeiten aneignet, dass es ihm fast Bedürfniss
ist, die Hand werkthätig zu beschäftigen, während die Erlernung derselben
Fertigkeiten in späterer Zeit oft zur harten Arbeit wird und nicht mehr
ganz gelingen will, so dass der Mangel solcher früher Schulung durch
das ganze Leben nachwirkt. So beginnt denn heute der Jüngling die Er-
lernung gewerblicher Techniken erst in einem Alter, in welchem er sie
ehedem bereits beherrschte. (Schluss folgt.)
Anton D. Ritter von Fernkorn.
Am 15. November v. J. ist Fernkorn einem langjährigen Gehirn-
leiden erlegen. Er war schon am 28. September 1868 in die niederöster-
reichische Landes-Irrenanstalt gebracht worden, nachdem er durch zwei
Jahre erfolglos die Heilung seines Leidens in einer Privatheilanstalt gesucht
hatte. DieSpuren seiner Krankheit traten schon zu jener Zeit auf, in welcher
. er sich mit dem Engen-Monumente beschäftigte. Der Enthüllung dieses
Monurnentes im Jahre 1865 konnte der Künstler nicht mehr beiwohnen.
Fernkorn wurde im Jahre 1813 in Erfurt geboren und stammte aus
einer katholischen Familie. Er besuchte die Schulen seiner Vaterstadt und
wurde Gürtler. In der Gürtlerwerkstätte lernte er schon von früher Jugend
an die metallurgischen Techniken kennen, für die er bald eine besondere
Neigung an den Tag legte. Seiner Militärpfiicht genügte er in der preussi-
sehen Artillerie. Erst später konnte er sich der Kunst widmen, doch kamen
ihm seine Lehrzeit als Gürtler, sowie seine in der preussischen Artillerie
gemachten Erfahrungen in seiner Künstlerlaufbahn sehr zu Statten. Er
gehört zu den wenigen Künstlern, die aus dem Handwerk hervorgegangen
sind, und in ihre Kunstübung die handwerkliche Geschicklichkeit und
Tüchtigkeit mitgebracht haben.
Eine Akademie der bildenden Künste hat Fernkorn nicht durch-
gemacht; daher ihm das eigentliche Studium der Antike fremd blieb. Er
kam nach vollendeter Militär-Dienstzeit im zo. Lebensjahre in das Atelier
Stiglmayers des damals berühmtesten Erzgiessers in Deutschland, der zu-
gleich ein hervorragender Techniker war. Während seines Aufenthaltes
bei Stiglmayer erhielt Fernkorn vom Kaiser von Russland den Auftrag die
Statue Schillers von Thorwaldsen zu copiren und nahm bei der Aus-
führung des Max-Denkmals von Thorwaldsen, das in dem Stiglmayeüschen
Atelier gegossen wurde, hervorragenden Antheil. Gleichzeitig mit seiner
Thätigkeit bei Stiglmayer besuchte er auch die Kunstschule Schwanthalers
und hat so das nachgeholt, was er in seinen früheren Verhältnissen zu
lernen nicht die Gelegenheit hatte. Insbesondere bei seinen kleineren Ar-