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stehen"). Dies ist mit einer Beschränkung nur für das spätere Mittelalter
zuzugeben. lndess hat meines Wissens bisher Niemand den Versuch unter-
nommen, aus den uns erhaltenen stolflichen Ueberresten des Mittelalters
den Siklätün herauszuhnden und dessen Textur zu bestimmen.
Als Resultat von derlei eingehenden Untersuchungen, welche mir
durch wiederholte gnädige Unterstützung des hohen k. k. Ministeriums
für Cultus und Unterricht in liberalster Weise ermöglicht wurden, scheint
mir wenigstens sicher, dass unter Siklät (Siklätün) hinsichtlich seiner Farbe
nur ein eintöniges (uni) Seidengewebe, d. h. ohne Musterung in an deren
Farbentönen, verstanden wurde. Darauf kamen die in zwei oder drei ver-
schiedenen Seidenfarben dessinirten Arten in Gebrauch, wozu erst in
späterer Zeit die Brochirungen in Gold traten. Dabei ist natürlich, wie
wir sehen werden, nicht ausgeschlossen, dass diese verschiedenen Kategorien
Siklätün auch später noch nebeneinander bestanden haben.
Die stoEliche Beschalfenheit, also die Textur anlangend, so ist meiner
Ansicht nach der Siklät zweifelsohne der alte Vorläufer des Damastes
gewesen"). Er zeichnete sich durch grosse Festigkeit, Dauerhaftigkeit,
hin und wieder auch durch stoffliche Schwere aus, was selbstverständlich
allein schon durch seine Verwendung zu Maulthier- oder Satteldecken
bedingt erscheint. Aus diesem Grunde bestand häufig die Kette aus un-
gebleichtern Leinen, der Einschlag aus Seide, wodurch dem Gewebe eine
ausserordentliche Solidität gegeben wurde. Als eine auffallende Erscheinung
an der Siklätün-Textur ist hervorzuheben, dass ihre Dessins zumeist als
Contouren sich vertieft auf einem Satingrunde darstellten. Diese Art
von Musterung wurde, wie Bock u) nachgewiesen, bei dem Weben in der
Weise erzielt, dass je der dritte von den einzeln gereihten Kettenfäden
den Schuss zu binden hatte, die beiden zusammen passirten Fäden aber,
welche nicht im Atlas arbeiteten, dazu bestimmt waren, den Einschlag
höher aufzulegen. Dadurch erschienen die Musterungen in feinen Contouren
tief im Atlas, als wären sie eingeprägt oder eingeritzt worden
[siehe die Abbildung] 3").
Exemplare dieses merkwürdigen, durch seinen lebhaften Glanz und
die delicaten Musterungen ausgezeichneten Gewebes, bewahrt das k. k.
") Lexer, Mittelhnchdeutscbes Warm-b" s. v. sigelät. - Francisque-Michel,
l. c. i, p. 232. - Dozy, Supplexnent ein, s. v. sikläx, u. A.
") Seine Heimat war, wie dies bei lllen satinirten Seidenstoifen der Fall ist,
wohl China.
") l. c. II, p. m4.
") Sa bespricht Beihaki, l. c., der Zeitgenosse des Ghaznewiden Maäüd in seiner
persischen Lebensbeschreibung dieses Sultäns zum Jahre 1031 n. Chr. ein Ehrenkleid
(kaba) aus Bagdäder Siklälün, bestehend aus einem weissen (also eintönigen, uni) Ge-
webe mit sehr feiner deutlich sichtbarer Musterung (: naksch, Gravirung).
Die persischen Worte lauten: nKabdi saklitün bagdddi büd sepedi sepid sacht churd
naluch peidim