Oesterr. Museum für Kunst und Industrie in Wien aus der ehemaligen
Bock'schen Sammlung i").
Wie schon durch die oben beschriebene Textur von selbst bedingt
erscheint, zeigen die Dessins dieses Stoffes nur klein gehaltene Darstel-
lungen geometrischer Figuren oder phantasievoller Gebilde aus der Thier-
und Pflanzenwelt, welche auf seine europäischen Imitationen in grösserer
oder geringerer Veränderung übergegangen sind. Mit Beziehung auf diese
Darstellungen, mehr aber noch mit Rücksicht auf die jeweilige Färbung
des Siklätün haben sich später Benennungen abgezweigt, welche, obzwar
sie eine und dieselbe Stoffgattung betrafen, dennoch in ihrem gegenseitigen
Zusammenhang bis jetzt unerkannt geblieben sind.
Die beliebtesten Farben scheinen drei gewesen zu sein: Die tief-
azurblaue (cueruleus, blaveux vom deutschen blaw, arabisch kühlijj,
persisch kabüd), die pistazienartige (arab. fuxtakijj) a") und die hell-
rothe oder zinnoberrothe (vermeil), mit welcher letztern zumeist auch
Brochirungen in Gold verbunden waren. Diese hochrothe, oft auch me-
tallisch in's Gelbe schimmernde, Farbe des Siklätün hat sich im euro-
päischen Mittelalter entschieden das Uebergewicht errungen. Nach ihr sind
auch jene Bezeichnungen für dieses Gewebe in Schwung gekommen, welche
bis tief in's 14. Jahrhundert hinein als vpanni de siricou urkundlich nach-
weisbar sind. Man hat bisher allgemein angenommen, diese Sirica seien
entweder syrische Stoffe oder schlechtweg Seidengewebe (serica)
gewesen 33).
Das ist nun keineswegs der Fall. Die Bezeichnung vde siricoi- geht
wie vde oloverou etc. unzweifelhaft auf die Charakterisirung des Farb-
tones; sie entspricht dem gyricum (bei Plinius), mit den Varianten sirjy-
cum, siricum, sirucum, ciricum, rnittelgriechisch avpiutiv, aramäisch 11mm
und arabisch qarkün (wovon das spanische azarcon), serikün etc., und
bedeutet soviel als Minium, rothes Bleioxyd M). Die arabische Form
zarktin ist wahrscheinlich das persische ägergün (Feuerfarbe) oder {ergfm
(Goldfarbe), worunter eben ein feuriges, brennendes, glühendes, ziemlich
starkes, Gelb-Roth zu verstehen ist 35), wie denn auch nach einem Manu-
") Siehe den x-Katalog der ehemaligen Boclfschcn Sammlung von Webereien und
Stickereien des Mittelalters etc.-, Wien 1865, NNr. 4, 5, xo und 57. Das erste Stück
stammt wohl schon aus dem XI. Jahrhundert, die übrigen scheinen rnir jünger zu sein,
als Dr. Bock annimmt. Für die byzantinische Herkunft von 5 und lo spricht nach
meinem Dafürhalten die Musterung allein durchaus nicht entschieden.
") Von welcher Farbe ich im k, k. Oesterr. Museum (Nr. 5 der Bock'schen
Sammlung) einen Stolfüberrest in vorzüglicher Erhaltung aufgefunden habe. (Siehe die
Abbildung.)
") Z. B. Bock, Gesch. der liturg. Gewänder, Ill, p. 55, und A.
") Edrisi", l. c. p. 3x2; Dozy, Glossaire des muts Espagnols et Purtugais derives
de l'Arabe, p. 225; dessen Supplemcnt etc., I, p. 589.
"j Wird doch auch im Persischen irisch Iibds oder dtischin libi: (Feuerltleid) me-
tonymisch für rothes Kleid, und surch (rolh) vom Golde gesagt.