Collectiv-Benennung "Tusterzjjünv, d. h. die Tusterischen (Fabri-
kanten) m); denn es war eine Einrichtung in Bagdad , von welcher
Jäkübi bereits für die Zeit der Gründungsepoche Kunde giebt, dass in
diesem Handelsviertel die Straßen und Gässen der einzelnen Quartiere
nach der Herkunft der hier aus aller Herren Ländern angesiedelten Kauf-
leute und Manufakturisten benannt wurden m). Aus diesem Quartiere
gierigen endlich mit allmäliger Verdrängung des fremden Concurrenz-
Namens die schweren SeidenstolTe hervor, deren Pracht selbst der eitelsten
Prunksucht zu schmeicbeln vermochte und die unter dem obsiegenden
heimischen Namen der Bagdäder oder Baldachin-Gewebe bis in's
späteste Mittelalter den Ruhm der tusterischen Pflanzschule über ganz
Europa verbreiteten. l
Doch dies gehört an einen andern Ort. Aus der vorstehenden Dar-
legung ergiebt sich mit historischer Gewissheit die für uns zunächst wich-
tigste Thatsache einer sehr frühen arabischen Imitation der be-
rühmten Tuster-Fabrikate, welche in der Geschichte der morgen-
ländischen Webereien an und für sich zwar nicht vereinzelt dasteht, wohl
aber vom archäologischen Standpunkte der textilen Kritik festgehalten
werden muss m).
Die Concurrenz Bagdäds mit der persischen Seidenindustrie hat,
wie bemerkt wurde, das Fortblühen Tustefs bis in's XIII. Jahrhundert
kaum irgendwie beeinträchtigt, obschon sie demselben auf die Dauer ge-
fährlich werden musste. Manche Kriegsstürme und die mongolischen Völker-
Huthen waren, alles Leben erstickend, über die blühendsten Landschaften
Mittelasiens hinweggegangen, ohne dass die chüzistanische Stadt dabei
empfindlichen Schaden gelitten hätte oder gar in ihrem gewerblichen
Streben gestört worden wäre. Gegen Ende des XIII. Jahrhunderts galt
Tuster, laut dem Zeugniss Ibn Challikän's (T 1282), noch als eine "be-
rühmten Stadt m); berühmt offenbar ihrer textilen Erzeugnisse wegen,
die bis dahin nach der ausdrücklichen Versicherung Kazwinfs H" 1283)
einen weitverbreiteten Ruf genossen m). Während des ersten Drittels des
XIV. Jahrhunderts dürfte sich kaum viel-daran geändert haben, wenig-
stens schildert Ibn Batüta aus eigener Anschauung Tuster noch als-eine
'") Jiküt, Mu'dschem el-buldän, I, p. 850. - Dessen Muschlarik, ed. Wüsten-
feld, p. 81. - Vgl. auch Meräsid, l. c. I, p. 205. - Soiüthi, Lubb el-lubab, ed.
Vexh, p. 53."
m) Kitäb dl-buldin, p. 18. Der ganze westliche Hahdelsbezirk Bagdids
hieß el-Knrch.
m) Vgl. meine nMerkmale zur Bestimmung sarazenischer Kunst- und
lndustrie-Denkrnülerc, in den Mittheil. des k. k. Oesterr. Museums für Kunst und
Industrie, 1875, p. 305.
m) lbu Chnllikän, ed. Wüstenfeld, n' 62.
m) Kazwini, Wdschiib el-machlükät, ed. Wüstenfeld, ll, p. x14.