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Full text: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XV (1880 / 174)

Zur Bedeutung dieses Attributes übergehend, wies er die Beziehung auf den Paris- 
apfel zurück und erklarte es als das alte Liebeszeichen und Symbol der Aphrodite. Dann 
ging er die Typengeschichte der Aphrodyte durch und suchte zu zeigen, wie in dieser 
Reihe jeder durch einen spatern verdrängte Typus nicht verloren gehe, sondern zu an- 
derer Zeit und in anderer Bedeutung wieder erscheine _ 
Die Melierin selbst zeigte er als dem Typus der himmlischen Aphrodite der Blüthe- 
zeit nahestehend, deren ldeal Alkamenes in seiner nAphrodite in den Garten: zu Athen 
schuf, und der in römischer Zeit als Venus victrix und Victoria wieder auftaucht. Durch 
Vergleichung mit der Venus von Capua und der Victoria von Brescia sowie zweier Mar- 
murkopfe suchte er die Bedeutung der Venus von Melos sowie die Geschichte ihres Typus 
zu illustriren. 
Der Abguss der Louvrestatue und grosse Zeichnungen nach der Venus von Capua 
und der Victoria von Brescia dienten als Erläuterung des Vortrags, der schließlich von 
den Zuhörern mit Beifall ausgezeichnet wurde. 
Am 22. und 19. Januar sprach Regierungsrath Ritter v. Falke über wdas Costüm 
des XVl. Jahrhunderts-t. Er schlug hiebei den einzig richtigen Weg ein, die Entwick- 
lungsgeschichte der Kleidung von einem in seiner Kürze außerordentlich klaren Bilde der 
politischen und Culturgeschichte jener Tage als dem Hintergrund sich abheben zu lassen. 
Die allgemeine Reform an Haupt und Gliedern, wie sie seit Ende des Mittelalters immer 
lauter herbeigerufen wurde, kam endlich heran und es gab keinen Kreis des politischen 
Lebens und der Gesellschaft, der nicht in den Strom der Bewegung hineingezogen wurde: 
das Reichsoberhaupt, der oifentliche Rechtsstand und Verkehr, Religion und Schule. Beim 
Costüm war die Umwandlung rascher und entschiedener als auf andern Gebieten. Wenn 
als Bezeichnung der frühern Trachtenperiode die Zersplitterung, Gesetzlosigkeit, Bizarrerie 
und Narrenhaftigkeit in Farbe und Form, übertriebene Sittsamkeit neben Schamlosigkeit, 
Ehrbarkeit neben der höchsten Geckenhaftigkeit gelten kann, so war als Resultat der 
Reformbewegung im Costüme zu Anfange des XVl. Jahrh. wieder Ordnung, Anstand, 
Würde und eine selbst den Zeitgenossen bereits auffallende Gleichmäßigkeit in der Klei- 
.dung beim Fürsten wie bei dem Bürger, bei den Damen am Hofe wie im städtischen 
Wohnhause. Bald kamen aber zu diesen lobenswerthen Eigenschaften Elemente von einer 
andern Seite, sozusagen aus der Tiefe jener gahrenden kämpfenden Zeit herauf, und das 
waren die aufgeschlitzten Wamse und mit buntem Stoff gefüllten Pluderhoseh der aben- 
teuernden Landsknechte mit ihrer flotten Phantastik, die sich darin gefiel, sich so auf- 
fallend, bunt, wild, wie sie es nur ausdenken konnte. zu kleiden. Damals geht Deutschland 
mit seinen mehr oder minder vom Landsknechtgeschmack beeinflussten Moden voran und 
selbst in Frankreich und Spanien ist an der Tracht etwas von landsknechtischer Art zu 
bemerken. Und der Mann gab damals den Ton an, auch in der Mode, und die Frauen 
folgten noch bescheiden ohne laut werdenden Einfluss. Erst die zweite Hälfte des Jahr- 
hunderts sah die großen einflussreichen und bedeutenden Frauen: Katharina von Medicis, 
Maria Stuart, Elisabeth von England, die Damen von Habsburg und von Valois. Das war 
aber auch schon die Zeit, als die Reformation ihre Hohe überschritten, der Aufregung 
des Kampfes folgte die Abspannung, die kampfesmüde Welt sehnte sich nach Ruhe und 
so konnte die Reaction ihr Haupt erheben auf allen Gebieten, in Politik und Kunst, Re- 
ligion und Cultur. Bald nach dem Siege Karls V. bei Villalar beginnt für Spanien seine 
grosse Periode der Herrschaft in der Politik der Welt und damit auch im Reiche der 
Mode. Dem neuen Geiste entsprechend, schreitet das Costum der früheren Richtung ent- 
gegengesetzt, und die spanische Tracht mit ihrem System der Versteifung, mit Puffen, 
Wulsten, mühlsteingroßem Kragen, nutzlosem Mäntelchen, Reifrock und falscher Gran- 
dezza erlangt allenthalben die Oberhand. Auch England und Frankreich folgte, letzteres 
Anfangs mit einiger Zurückhaltung und gleichzeitigem Einfluss der Mode aus ltalien, wo 
die große Kunstepoche und der wirklich und allgemein verfeinerte Geschmack noch eine 
Weile nachwirkte. Erst mit dem Verblassen der spanischen Herrschaft unter dem neuen 
Geiste des werdenden XVll. Jahrhunderts, als der 3ojahrige Krieg zum Ausbruch ge- 
langte, verschwindet allgemach auch die spanische Tracht, Frankreich erringt die Mode- 
herrschaft und behauptet dieselbe bis heutzutage. 
Diesen allgemeinen Gang der Entwicklung wies der Vortragende an der ganzen 
Kleidung, wie an jedem einzelnen Theile derselben genau nach, mit Herbeiziehung manch' 
drastischen Citates aus der gleichzeitigen Literatur. Einen besondern Reiz gewannen die 
beiden, von den zahlreichen Zuhörern mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Vortrage 
durch die lllustrationen aus den Costümwerken der Museumsbibliothek und durch mehrere 
der reichsten und historisch getreuesten Costüme von dem Wiener Festzuge, welche Herr 
Ginni bereitwilligzur Verfügung gestellt hatte.
	        
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