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Es darf nicht außer Acht gelassen- werden, dass die äußeren Ver-
hältnisse für die Entwicklung der Kunst und Kunstindustrie ziemlich un-
günstig sind, dass die materiellen Hilfsquellen des Landes in hohem Grade
durch eine sehr umständlich organisirte Bureaukratie, zwei Landesregie-
rungen (für Militär- und Civilcroatien) und einen kostspieligen parlamen-
tarischen Apparat erschöpft werden, so dass für productive Anlagen um
so weniger übrig bleibt, als die wichtigsten Agenden des Handels und
Gewerbes und der bezüglichen Gesetzgebung in ungarischen Händen liegt,
denen begreiflichermaßen das Hemd näher ist als der Rock.
Wenn also von einem Aufschwung, von einer Kunstbewegung in
Croatien die Rede ist, so ist da der richtige relative Maßstab anzulegen.
Die Kunstbestrebungen in den croatischen Ländern sind zweierlei;
es ist da eine im Niedergang befindliche nationale Hausindustrie und es
ist die kosmopolitische importirte Kunst, welche nebeneinander bestehen.
Für die Pflege und Entwicklung der letzteren ist der Bau der
Diakovarer Domkirche ein entschiedener Markstein, der Erbauer der-
selben, Bischof Stroßmayer, der wichtigste und erste Förderer. Wäre
der Bischofsitz des kunstsinnigen Prälaten von der Landeshauptstadt nicht
so entfernt, so wäre der wohlthätige Einfluss dieses großartigen, von
Roesner begonnenen, von Schmidt fortgeführten Baues ein viel un-
mittelbarerer, größerer gewesen. Trotz der ungünstigen Umstände wirkte
das Beispiel aber doch, und der vom Vaticanum bekannte große Redner
verschrnähte es nicht, selbst zur Feder zu greifen und zu wiederholten
Malen zur Erhaltung und Restaurirung der im Lande vorhandenen Denk-
mäler der Vorzeit zu mahnen. Es wurde auf diese Anregung hin be-
schlossen, die Agramer Pfarrkirche, einen schönen gothischen Bau, zu
restauriren. Die Arbeit wurde dem Dornbaumeister Schmidt aufgetragen
und geht unter dessen Leitung der Vollendung entgegen. Der Agramer
Cardinal-Erzbischof Mihalovio und das Agramer Domcapitel blieben
nicht zurück; Dombaurneister Schmidt erhielt den Auftrag, für die Restau-
rirung der schönen alten gothischen Domkirche die Pläne zu entwerfen,
welche acceptirt wurden. Die betreffenden Arbeiten sind, wie ich das in der
Lützow'schen nZeitschrift für bild. Kunstu meldete, bereits begonnen; in der
Steinmetzhütte wird fleißig gearbeitet, und im nächsten Frühjahr soll der
erste Stein feierlich versetzt werden. Um die Domkirche herum sind noch
die alten Befestigungsmauern und Thürme erhalten, welche vor der Front
der Dornkirche weggebrochen werden sollen. Vor dem Portal, welches
dem bekannten in S. Jak sehr ähnlich ist, wird schon im nächsten Früh-
jahr ein Monumentalbrunnen, ebenfalls nach Schmidfs Entwürfen, er-
richtet werden, der mit fünf Statuen von Fernkorn geschmückt werden
soll, die vor mehreren Jahren von der Gemeinde erworben wurden. -
Durch diese Veränderung wird der malerische Capitelplatz zum künst-
lerischen Mittelpunkt der Stadt werden.