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Dieses Werk wäre ein lehrreiches Beispiel von dem Zopf der
Majolikakunst, wenn es gestattet ist, innerhalb des Cinquecento von einer
relativen Verzopfung zu sprechen. Jedenfalls verlor diese Kunstweise ihre
stilistische Haltung über den Excessen jener ornamentalen Baulust, von
der oben bereits die Rede war. Auf solchem Wege musste unfehlbar
auch ihre Technik entarten und die Delicatesse ihrer Formengebung in
die Brüche gehen. _
Zum Theil wenigstens vollzog sich das Verhängniss des Stilverfalles
an der Majolikakunst aus dem Grunde, weil sie zuletzt das ihr gemäße
Decorationsprincip entweder aufgab oder ohne richtige
Empfindung verwildern ließ. Das eigenste, für das Colorit wie
für die Glasur der Terracotta völlig gerechte Ornament ist der Kranz,
aus saftreichen Stengeln und Blättern, vollen Bllithen und Früchten, denen
es gelegentlich auch an Buckeln und Striernen nicht fehlen mag, die
tretTlich der Modellirung in diesem Material sich fügen. Auch in der besten
Zeit der Robbia-Schule war es ein bedenklicher Fortschritt, dass diese
Kunstweise ihr specil-isches Umrahmungsmotiv gegen die nachgebildeten,
auf Präcision der Contour berechneten Formen des Marmorornamentes
umtauschte; als sie später wiederum zur Bekränzung zurlickkehrte, war
ihr inzwischen die Frische des früheren Stilgeftihles abhanden gekommen.
Beim Majolika-Otnament gehört der liebevolle Naturalismus zum Stil, ja
er bestimmt geradezu denselben. Am Ausgang der Kunstrichtung geht
der in Manierirtheit ausgeartete, copirte Marmorstil mit einem äußerlich
gewordenen, verwilderten Naturalismus Hand in Hand, um trotz einer
noch stark nachschießenden Erlindungskraft den Verfall jener so interessanten
Specialkunst zu besiegeln.
Luca della Robbia flocht noch seine Kränze mit fiihlender Hand;
er verwendete Früchte nur sparsam und dann verband er sie, rythmisch
gruppirend, mit entsprechendem Blattwerk, indem er zugleich die einzelnen
Gruppen durch Kreuzbänder von Bast an den Stengeln auf deutlich wirk-
same Weise trennte. Ein Musterkranz dieser Art ist derjenige, welcher
das früher besprochene Wappenmedaillon von Orsanmichele umgibt.
Sonst hält sich der Meister (namentlich bei den Lunetten-Umrahmungen)
vornehmlich an Blumen, die er ganz zierlich in die Blatthlischel hinein-
zustecken weiß. Weiterhin werden die Umkränzungen (zunächst die der
Tabernakel) gar zu buschig und wulstartig, und bei den Medaillon-
kränzen erscheint oft die pomologische Ausstellung aus dem Frucht- und
Gemüsegarten, so farbenfröhlich ihr Eindruck ist, doch etwas lastend und
überfüllt. Ich habe wiederholt versucht, die Majolikaflora genauer zu
bestimmen, bin aber auch nach eingeholter Berathung mit fachkundigen
Botanikern zu keinem sicheren Ergebniss gelangt. Der allgemeine Charakter
ist entschieden naturalistisch, aber die Einzelform nicht in allen Fällen
naturgetreu. Die Lilie hebt sich unverkennbar hervor, zwischendurch scheint
das Ciströschen, welches in den Mittelmeerländern auch wild vorkommt,