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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1888 / 10)

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prüfend überfliegt, welch' ein Fortschritt von den Arbeiten der Sechziger 
Jahre zu denen von heute! ein Fortschritt, zu dem - ich weiß nicht, 
ob bedauerlicher oder erfreulicherweise - in Wien gebildete Lehrer 
und Künstler wesentlich beigetragen haben. 
Aehnlich ist es in anderen Zweigen. Ich zweifle, ob Jemand noch 
die einst viel gepriesenen Stickereien der Reutlinger Anstalt in Erinnerung 
hat, Gegenstände der reizlosesten und gewöhnlichsten Art, ohne Sinn 
für Farbe, ordinär in der Zeichnung, ohne jegliches künstlerische oder 
technische Geschick. Wenn er sie noch in Erinnerung hat, so mag er 
damit vergleichen, was sich auf der Ausstellung, beispielsweise gesagt, 
von Stickereien aus München oder Karlsruhe befindet. Die Stickerei ist 
etwas total Anderes geworden; sie hat sich aus Geschäft und Dilettan- 
tismus zu einer Kunst erhoben, ein Verdienst, von dem sich Wien 
wiederum ein gut Theil zuschreiben mag. Die Lehre, die von hier aus- 
gegangen, ist in Deutschland auf guten Boden gefallen und die Saat ist 
aufgegangen. Man kann sie noch für unreif erklären, aber sie geht der 
Blüthe entgegen. Der Werth des heutigen deutschen Kunstgewerbes ist 
ein relativer, wir geben das zu, wir begreifen den Mangel an Entzücken 
über die ausgestellten Gegenstände von Seiten derjenigen, welche die 
Sachen auf dem absoluten Standpunkt betrachten, den Fortschritt aber, 
die hochbedeutende Entwickelung wird Jeder zugestehen müssen, der 
sich der deutschen Arbeiten auf unserer Ausstellung von 1873 oder auf 
der Münchener von 1876 erinnert. 
Textile Hausindustrie im Bregenzer Walde. 
Von Dr. Alois Riegl. 
Wenn man das Thalgebiet der Bregenzer Ache betritt und die 
Eigenthümlichkeiten der dortigen Volkstracht gewahr wird, gewinnt man 
alsbald die Ueberzeugung, dass man es hier mit einer uralten Haus- 
industrie zu thun hat, die trotz der Ungunst der Verhältnisse in diesen 
abgelegenen Thälern wenigstens in einigen kümrnerlichen Resten sich 
erhalten konnte. Und zwar ist es nicht die männliche Tracht, die hier 
ebenso wie allenthalben in unseren Gebirgsgegenden einen ziemlich kosmo- 
politischen Charakter angenommen hat, und in den geringfügigen Eigen- 
thümlichkeiten, die mehr aus Nützlichkeitsgrlinden festgehalten werden, 
der Bethätigung des Kunstsinnes keinen Spielraum bietet; doch mag man 
es immerhin auffallend finden, dass selbst der grobe blaue Fuhrmanns- 
kittel hier in der Regel am Hals, an den Schultern und Aermeln mit 
weißgestickten Säumen verziert ist. Dagegen sind die kunstgeschmücktetl 
Elemente der weiblichen Volkstracht: das wFürtuchu oder der gold- und 
seidengestickte Brustlatz, die nSChntlfl oder der weite bis zur Brust 
herabreichende Halssaum, endlich die in Goldfäden geklöppelte Rückm- 
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